Ernst Peter Fischer | Warum funkeln die Sterne

„Alle Menschen streben von Natur aus nach Wissen“, so beginnt Aristoteles sein berühmtes Buch <Metaphysik>. Ernst Peter Fischer, Physiker, emeritierter Professor für Wissenschaftsgeschichte und renommierter Wissenschaftspublizist, führt anhand ihm häufig gestellter Fragen durch einen Kosmos rätselhafter Phänomene der Natur und lässt dabei – als Kern aller Wissenschaft – erahnen, dass sich aus der Beantwortung von Fragen stets auch weitere Fragen ergeben. In einem Kompendium von sechs großen Kapiteln begegnen dem Leser, der Leserin, (Natur)Wissenschaft, aber auch Philosophisches und Poetisches; als „Erklärungen der Welt“, gut verständlich, vergnüglich lesbar.

117 Fragen und sehr viel mehr Antworten. „Nicht nur große, sondern selbst einfache Fragen führen selten zu einer einzigen und klaren Antwort, mit der dann alles geklärt – aufgeklärt – ist.“ Unter dieser Prämisse entstand ein Buch „voll wunderbarer Einsichten“ zu „Himmel und Erde“, „Sonne, Mond und Sterne“, „Pflanzen und Tiere“, „Mathematik und Physik“, „Menschen“, „Farben“, „Naturphänomene“ und „Technik“. Über ein konventionelles Fragen- und Antwortenbuch weit hinausgehend, lässt der Autor wissenschaftliches Denken und Arbeiten verstehen und komplexe Fragen und Naturphänomene – manchmal auf überraschende Weise – durchschauen.

Zum Beispiel im Kapitel „Die Farben der Dinge“: „Warum sind das Meer und der Himmel blau?“, „Warum leuchtet der Horizont abends oftmals rot?“, „Warum wirkt die Sonne tagsüber gelb?“, „Was sehen Tiere, wenn sie in ihrer Umwelt auf das schauen, was Homo sapiens mit Rot, Grün, Blau bezeichnet?“ Diese und viele ähnliche Fragen mehr bieten dem Autor die Gelegenheit, das Prinzip von Sinneswahrnehmungen und Empfindungen, z.B. der Farbe, sowie von physikalischen Eigenschaften des Lichtes – Wellenlängen, Frequenzen, Streuung etc. – zu erläutern. Dass dabei auch Fragen wie „Was ist Energie?“, „Was ist Licht?“ und „Wie kommt man vom Licht zum Sehen“ beleuchtet werden, ergibt sich fast zwangsweise.

Zum Beispiel „Der Blick zum Himmel“: Das Kapitel veranschaulicht den Zusammenhang von Zeit und Raum; viele daraus resultierende Fragen, z.B. zur Dunkelheit der Nacht, zum Funkeln der Sterne, zur Vermessung des Himmels, aber auch zum Verlangen der Menschen nach Astrologie (als gefühlvolle Suche nach schicksalhaften Geschichten in vertrauensvoller Geborgenheit) sowie zahlreiche weitere Aspekte der Himmelskunde – und last not least die fatale Anreicherung der Atmosphäre mit CO2 – vermitteln weite Horizonte des Wissens.

Zum Beispiel „Von den Atomen zu den Genen“: Ernst Peter Fischer beschreibt dabei u.a. die Entdeckungen Gregor Mendels bis hin zur Frage „Wie viele Gene hat ein Mensch?“. Letztere ist nicht einfach zu beantworten:„So, wie Gene nicht etwas Bestimmtes sind, sondern immer etwas anderes werden, so kann man Leben auch nicht als etwas verstehen, das vor einem da ist, sondern nur als etwas, das sich in der Welt entfaltet und seinen Ort sucht“.

Unter „Alltägliche Knifflichkeiten“ subsummiert Ernst Peter Fischer zahlreiche Fragen, die unseren täglichen Umgang mit Technik (Smartphone), Spiegelphänomenen, Drogen und Rauschmitteln, Vitaminen, Nahrungsergänzungsmitteln, veganem Essen etc. betreffen. An diese und viele andere behandelte Themen schließt er die Frage an: „Welche Wunder der Wissenschaft sollte man wenigstens ein wenig zu verstehen versuchen?“.

Unter „Was ist der Mensch?“ folgen Anmerkungen zu den großen Themen des Denkens von Immanuel Kant mit den berühmten drei Fragen a) „Was können wir wissen?“, b) „Was sollen wir tun?“, c) „Was dürfen wir hoffen?“ Der Autor beantwortet sie mit a) „Menschen können herausfinden, wo ihre Grenzen liegen“, b) „Menschen sollen und werden versuchen, diese Grenzen zu verschieben, oder zu überwinden“ und c) „Menschen dürfen hoffen, dass ihnen gelingt, was sie sich vorgenommen haben und immer wieder versuchen werden“.

Das letzte Hauptkapitel des Buches „Das Fragen nach der Wahrheit“ widmet sich den unterschiedlichen Vorstellungen von Wahrheit und den vielen Möglichkeiten, sich darum zu bemühen. (Die Wahrheiten der Wissenschaften können den Eindruck von Kränkungen vermitteln, Sigmund Freuds „Drei Kränkungen der Menschheit“ werden vom Autor allerdings verworfen). Wie sehr Wahrheit frei macht, wie intensiv man sich um sie bemühen muss, wie geheimnisvoll Wahrheit ist und wie man ihr am besten gegenübertritt, bieten anregende Überlegungen – wie auch grundlegende Gedanken zur Wahrheit selbst, die der Autor als drei Fragen des Nobelpreisträgers Max Delbrück zitiert:

  1. Wie können wir eine Theorie des Universums ohne Leben – und daher ohne Geist – entwerfen und dann erwarten, dass sich Leben und Geist irgendwie aus diesem unbelebten und unbeseelten Anfang heraus entfalten?
  2. Wie können wir die Evolution der Organismen ersinnen, bei der der Geist streng als adaptive Antwort auf den Selektionsdruck konzipiert ist, der solche Exemplare bevorzugt, die sich mit dem Leben in der Höhle zurechtfinden, und dann erwarten, dass dieser Geist in der Lage ist, die tiefgründigsten Einsichten in die Mathematik, die Kosmologie, die Materie, in die allgemeine Ordnung des Lebendigen und den Geist selbst hervorzubringen?
  3. In der Tat, ist es überhaupt sinnvoll, den Standpunkt einzunehmen, dass die Fähigkeit, die Wahrheit zu erkennen, aus toter Materie entstanden ist?

Ernst Peter Fischer beschließt diese Gedanken mit: „Gute Fragen. Um Vorschläge wird gebeten“.

„Warum funkeln die Sterne“ beantwortet offene Fragen zu vielerlei Phänomenen, die uns aus unserem Alltag mehr oder weniger bekannt sind und spürt manch Rätselhaftem und Geheimnisvollem nach. Das vom Format her kleine Buch mit großem Inhalt befriedigt Neugier und Wissensdurst mit gleichzeitig zahlreichen Anregungen zu eigenem Weiterdenken. Ernst Peter Fischer spannt dabei einen weiten Bogen, dem nicht immer ganz leicht zu folgen ist, dem nachzuspüren aber Wissensgewinn und Lesefreude bringt. Literaturhinweise, Anmerkungen und ein Verzeichnis der wichtigsten Fragen ergänzen, bzw. erleichtern das Verstehen des Gebotenen. „Die Wunder der Welt wissenschaftlich erklärt“ kann allen Wissenwollenden uneingeschränkt empfohlen werden; die drei „Gute(n) Fragen. Um Vorschläge wird gebeten“ regen an, sich mit der Materie weiter zu beschäftigen und (säkulare) Antworten dazu zu finden.

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DI Dr. Gerfried Pongratz

Der Rezensent Gerfried Pongratz ist promovierter Phytopathologe, Unternehmensberater und Yakzüchter mit Wohnsitz auf der Koralpe bei Deutschlandsberg (Österreich).

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