MEGA-Sorgen um Europa

Der ungarische Premierminister Viktor Órban mit der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Brüssel, Belgien, am 3. Februar 2020. © 2020 Isopix/Shutterstock
Der ungarische Premierminister Viktor Órban mit der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Brüssel, Belgien, am 3. Februar 2020. © 2020 Isopix/Shutterstock

Ja, MEGA: „Make Europe great again“. So tituliert Andrew Stroehlein von „Human Rights Watch“ in seiner heutigen Mail, und ich kann es nachvollziehen.


Am 1. Juli 2024 übernahm die ungarische Regierung für die nächsten sechs Monate den Vorsitz der Europäischen Union, was bei Menschenrechtsexpert*innen große Besorgnis hervorruft.

Bis Ende des Jahres hat Ungarn den rotierenden Vorsitz im Rat der Europäischen Union inne. Das verleiht Budapest selbstverständlich keine diktatorischen Befugnisse – die EU und ihre Institutionen sind weitaus vielschichtiger und widerstandsfähiger. Aber dadurch erhält die ungarische Regierung eine Schlüsselrolle bei der Leitung von Spitzentreffen und der Gestaltung des Ablaufs dieser entscheidenden Sitzungen.

Angesichts der rücksichtslosen Art und Weise, mit der die ungarische Regierung die Demokratie und die Menschenrechte in Ungarn behandelt, ist dies Grund genug zur Sorge. Seit 14 Jahren betreiben Regierungschef Viktor Orbán und seine Regierungspartei Fidesz eine „systematische Zentralisierung der Macht, die Aushöhlung demokratischer Schutzmechanismen und die Schwächung des Rechtsstaats“.

Orbán ändert die Verfassung des Landes nach Lust und Laune und ruft mehrere Notstände aus, die es ihm ermöglichen, per Dekret zu regieren, und umgeht dabei sogar das Parlament, das inzwischen nur noch eine reine Abnickmaschine ist. 

Die Regierungspartei tut alles, um Kritiker*innen zum Schweigen zu bringen, und greift unabhängige Journalist*innen, Medien und zivilgesellschaftliche Organisationen an, darunter zuletzt auch die Anti-Korruptions-Organisation Transparency International und die Investigativjournalistengruppe Átlátszó. 

Orbáns Partei hat die Kontrolle über die Mehrheit der Medien des Landes übernommen und nutzt sie, um regierungs- und parteifreundliche Lügen zu verbreiten.

Sie verunglimpfen auch ständig Minderheiten – etwa Migrant*innen, LGBT-Personen und andere – um Hass zu schüren und Sündenböcke zu schaffen, die von der antidemokratischen Machtübernahme der Partei und der Tatsache ablenken sollen, dass Ungarn unter Fidesz nicht nur das korrupteste Land der EU, sondern auch das ärmste Land ist. 

Sie geben große Summen an Steuergeldern für landesweite Medienkampagnen aus, die mit Angstmacherei und Desinformation gegen diese Gruppen – und auch gegen die Europäische Union – arbeiten.

Jetzt, in den nächsten sechs Monaten, haben sie also das Steuer der EU in der Hand.

Letzten Monat gab die ungarische Regierung bekannt, dass das Motto für die sechsmonatige Ratspräsidentschaft Ungarns im Rat der Europäischen Union „Make Europe Great Again“ (MEGA) lauten würde – ein erschreckend wenig originelles Motto.

Ich weiß nicht, auf welche Epoche der europäischen Geschichte sich die ungarische Regierung hier bezieht, aber ich weiß, dass viele von uns, die die Verstöße der letzten 14 Jahre verfolgt haben, MEGA-besorgt sind, was in den nächsten sechs Monaten auf uns zukommt. 

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Dr. Andreas Gradert

Andreas studierte Theologie, Psychologie, Wirtschaftswissenschaften und Mediation.

2013 Präsidium Lebenshilfe Salzburg (bis 2018)
2021 Präsidium Atheisten Österreich
2022 Präsident Humanistischer Verband Österreich
2023 Präsident giordano bruno stiftung Österreich
2024 Beirat ÖGHL

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2 Responses

  1. Helmut Lercher sagt:

    Auch Orban ist widersprüchlich, vieles was Gradert kommentiert wird stimmen.

    Aber ich freue mich dass es endlich einen europäischen Regierungschef gibt, der sich um Frieden bemüht , sich beide Seiten anhört und zumindest den Versuch startet, aus diesem unfassbaren Desaster in der Ukraine einen Weg nach draußen zu finden.

    • Danke für die Lorbeeren, ich bin mir jedoch nicht sicher. ob Orbán wirklich dem Frieden in der Ukraine nutzen wird. Sehen wir uns seine letzten Aktionen an:

      05.07.2024
      Der ungarische Regierungschef Viktor Orbán hat mit einem nicht abgesprochen Besuch bei Russlands Präsident Wladimir Putin Empörung von EU- und NATO-Partnern provoziert. Spitzenpolitiker kritisierten die Reise als „unverantwortlich“ und schädlich für die Bemühungen um einen für die Ukraine akzeptablen Frieden.

      02.07.2024
      Wenn Staats- oder Regierungschefs europäischer Länder in den vergangenen Monaten Kiew besuchten, dann meist mit einer Sache im Gepäck: Zusagen zu Militärhilfen. Viktor Orbán hat derlei nicht dabei. Beim ersten Besuch in Kiew seit dem russischen Überfall schlug der ungarische Premierminister in eine ganz andere Kerbe: Er rief den ukrainischen Staatschef Wolodymyr Selenskyj dazu auf, sich für eine Waffenruhe mit Russland einzusetzen. Nur das könne Friedensgespräche beschleunigen, gab Orbán am Dienstag bei einer Pressekonferenz in Kiew an. Die Einstandsreise nach Kiew war für den EU-Skeptiker wohl mehr lästige Pflicht als Überzeugungstat.

      29.06.2024
      Der ungarische Premierminister Viktor Orbán heizt zwei Tage vor der Übernahme des EU-Ratsvorsitzes durch seine Regierung am Montag die Gerüchteküche über die Bildung einer neuen, rechten Fraktion im EU-Parlament an.

      19.06.2024
      Seine Bewunderung für Donald Trump nimmt Viktor Orbán nun auch in die EU-Ratspräsidentschaft Ungarns mit, die am 1. Juli beginnt. Als Slogan dafür hat die rechtsnationale ungarische Regierung den berühmtesten Wahlkampfspruch Trumps umformuliert: „Make Europa Great Again“, lautet das offizielle Motto für Ungarns Chefrolle über die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union. Die beiden Populisten Donald Trump und Viktor Orbán verstehen sich gut. Immer wieder loben sie sich öffentlich oder treten gemeinsam auf.

      04.06.24
      Gewännen die Regierungsparteien in Ungarn am 9. Juni, müssten «die Brüsseler Bürokraten aus Angst die Stadttore verlassen. Originalton Orbán.

      21.05.24
      Im Interview für das Kossuth-Radio erinnerte Premier Orbán an seinen Amtskollegen Zoran Djindjic, der 2003 in Belgrad auf offener Straße erschossen wurde. Der Anschlag auf Robert Fico habe jeden tief getroffen; die Gewaltspirale in ganz Europa überrasche aber niemanden mehr. Der alte Kontinent werde mit Terroranschlägen im Zuge der Migrationskrise und mit dem Ukraine-Konflikt seit Jahren auf Krieg getrimmt. Er benannte Beispiele aus der Geschichte, wonach sein Vorgänger István Tisza und Reichsverweser Miklós Horthy Ungarn aus dem Ersten bzw. dem Zweiten Weltkrieg heraushalten wollten. Horthy war doch schlimm wie Hitler, denken die. Nein, ganz und gar nicht. Aber unschuldig war er auch nicht. István Tisza warnte anfänglich vor einem großen Krieg, und war dann doch in den Schlund der Habsburgerei gefallen. Aber den Tisza kennt ja fast niemand.

      Das sollte erst einmal reichen.

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