Best of Influencer

Oh, die glorreiche Welt der Influencer*innen! Diese modernen Halbgottheiten des digitalen Zeitalters, die mit einem einzigen gut platzierten Post ganze Horden von Follower*innen in ekstatische Euphorie versetzen können. Man könnte meinen, sie hätten ihre Weisheit und Expertise durch jahrelange harte Arbeit und Studium erlangt – aber nein, der Schlüssel zum Erfolg liegt in der Kunst des Selfies und der perfekten Filterwahl.

Vergessen wir die langweiligen alten Zeiten, als Menschen tatsächlich Fachwissen und Erfahrung brauchten, um als Autorität in einem Bereich anerkannt zu werden. Heutzutage reicht es, ein perfekt inszeniertes Leben zu präsentieren, bei dem jedes Frühstück ein Meisterwerk der Ästhetik und jeder Fitness-Post eine Ode an die Selbstoptimierung ist. Wer braucht schon eine fundierte Ausbildung, wenn man stattdessen den richtigen Winkel für seine Fotos finden kann?

Dann gibt es die heiligen Partnerschaften mit Marken. Influencer*innen haben die erstaunliche Fähigkeit, uns glauben zu machen, dass sie jedes Produkt, das sie bewerben, auch wirklich benutzen. Vom neuesten Wundermittel gegen Hautalterung bis hin zu den trendigsten Fitness-Gadgets – ihre Begeisterung ist so echt wie ein Einhorn. Natürlich sind diese Empfehlungen nicht etwa durch großzügige Honorare motiviert, sondern durch eine tiefe, innige Überzeugung, dass uns dieser eine, besondere Detox-Tee zum besten und gesündesten Ich machen wird.

Die Realität, die uns Influencer*innen präsentieren, ist eine, in der Probleme wie Stress, finanzielle Sorgen oder der Klimawandel einfach nicht existieren. Ihre Welt ist perfekt, und sie laden uns ein, ein Stück dieser Perfektion zu erwerben – meist in Form von Produkten, die wir dringend benötigen, um unser eigenes Leben auf Instagram-taugliches Niveau zu heben.

Und lassen wir nicht die tiefsinnigen Ratschläge außer Acht, die Influencer*innen so großzügig mit uns teilen. Weisheiten wie “Du bist genug” oder “Folge deinen Träumen” sind die Mantras, die uns durch die dunkelsten Zeiten führen. Diese Perlen der Weisheit kommen am besten zur Geltung, wenn sie vor dem Hintergrund eines malerischen Sonnenuntergangs oder eines exotischen Strandes gepostet werden.

Ja, die Welt der Influencer*innen ist tatsächlich ein Paradies der Oberflächlichkeit, in dem das Streben nach Likes und Follower*innen das höchste Ziel ist. Aber was würden wir nur ohne diese leuchtenden Sterne am digitalen Himmel tun? Wahrscheinlich müssten wir uns auf altmodische Dinge wie echte Freundschaften und tiefgehende Gespräche verlassen. Und das wäre doch wirklich undenkbar, oder?

Und selbstverständlich braucht man Vorbilder! Wie sollte man sonst wissen, wie man seinen Morgenkaffee perfekt in Szene setzt oder den idealen Filter für sein Selfie auswählt? Schließlich ist es absolut unmöglich, im Leben voranzukommen, ohne ständig jemanden im Blick zu haben, dessen Schritte man penibel nachahmen kann.

Wer könnte schon ohne das strahlende Beispiel der Influencer*innen überleben, die uns zeigen, wie man im Fitnessstudio posiert oder wie man einen makellosen Strandtag verbringt? Und wer wäre schon in der Lage, eigene Entscheidungen zu treffen, ohne vorher zu checken, was die neueste Modemarke gerade in ist?

Natürlich sind Vorbilder unverzichtbar, um sicherzustellen, dass wir niemals den Fehler machen, eigenständig zu denken oder gar unseren eigenen Weg zu gehen. Was wäre das Leben schließlich ohne den beruhigenden Gedanken, dass wir immer jemanden haben, dem wir nacheifern können – und sei es nur, um sicherzustellen, dass unsere Avocado-Toast-Bilder auch wirklich im besten Licht erscheinen?

Ja, Vorbilder sind absolut notwendig. Ohne sie wären wir wahrscheinlich gezwungen, unsere eigene Individualität und Kreativität zu entdecken.

Und wer will das schon? Oder?

/ironie off

Vorbilder können in vielerlei Hinsicht nützlich sein und haben in der Menschheitsgeschichte immer eine bedeutende Rolle gespielt, für die Inspiration, die Motivation, die Lernmöglichkeiten, die Orientierung, die eigenen Werte und die persönliche Entwicklung. Und immer schon bargen Vorbilder auch Risiken wie unrealistische Erwartungen, die Vergleichsproblematik und den Verlust der eigenen Identität.

Was ist also der Unterschied zwischen Vorbildern und Influencern? Beide vermitteln bestimmte Werte, Lebensweisen und Ideen, die von ihren Anhängern aufgenommen werden. Ein Vorbild inspiriert durch langfristige Errungenschaften und ethisches Verhalten in verschiedenen Lebensbereichen, während ein Influencer hauptsächlich durch digitale Präsenz, Content-Erstellung und Markenpartnerschaften kurzfristig Einfluss nimmt.

Michael Schmidt-Salomon hat zur Vorstellung seines neuen Buches zehn Persönlichkeiten vorgestellt, denen wir, so Zitat: eine größere Reichweite wünschen als Donald Trump oder “Bibis Beauty Palace”.


Albert Einstein (1879–1955)

Wissenswertes über sein außergewöhnliches Leben und Werk findet man in dem Buch »Die Evolution des Denkens. Das moderne Weltbild – und wem wir es verdanken«.


Carl Sagan (1934–1996)

Der Botschaften ins All schickte, welche wohl die Existenz der Menschheit überdauern werden.


Karl Marx (1818–1883)

Der uns darauf aufmerksam machte, dass die „herrschenden Ideen einer Zeit“ stets auch die „Ideen der Herrschenden“ sind.


Karl Popper (1902–1994)

Der uns lehrte, falsche Ideen sterben zu lassen, bevor Menschen für falsche Ideen sterben müssen.


Friedrich Nietzsche (1844–1900)

Der meinte, man müsse noch „Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können“.


Marie Curie (1867–1934)

Die mit der Entdeckung der Radioaktivität das physikalische Weltbild revolutionierte und ihr Leben für ihre Forschung gab. 


Epikur (341–270 v.u.Z.)

Der schon vor 2300 Jahren die Grundlagen des modernen Weltbildes formulierte und die Freigeister aller Zeiten inspirierte.


Alfred Wegener (1880–1930)

Der unsere Sicht auf die Erde radikal veränderte und für seine wegweisenden Erkenntnisse zu Lebzeiten meist verspottet wurde.


Julian Huxley (1887–1975)

Der Wissenschaft und Humanismus miteinander verknüpfte, und uns lehrte, planetare Verantwortung zu übernehmen.


Charles Darwin (1809–1882)

Der sanfte Revolutionär, dem wir die wohl folgenreichste Entdeckung der gesamten Wissenschaftsgeschichte verdanken.


Das sind in Michael Augen die best of influencer.

D’accord, Michael…

Und nun bitte flugs das Buch bestellen. Bei Alibri. Wo sonst 🙂

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Dr. Andreas Gradert

Andreas Gradert studierte Theologie an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Psychologie an der University of Liverpool, Wirtschaftswissenschaften am MIT und Mediation am Wifi Salzburg und bei Lis Ripke.

Seit 2022 Präsident des Humanistischen Verbandes Österreich, seit 2024 auch der giordano bruno stiftung Österreich, früher im Präsidium der Lebenshilfe Salzburg, jetzt im Präsidium der Atheisten Österreich , aktiv im Zentralrat der Konfessionsfreien | EU Fundamental Rights Agency | Skeptiker | Effektive Altruisten und diversen Menschenrechtsorganisationen.

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