Gesetzliche Festlegung von Feiertagen

Neue Synagoge Berlin. Foto: Ansgar Koreng / CC BY-SA 4.0, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=60020750
Neue Synagoge Berlin. Foto: Ansgar Koreng / CC BY-SA 4.0, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=60020750

Erneut versucht der religiöse Fundamentalismus Einfluss auf die Gesetzgebung in Deutschland zu nehmen. Das Tikvah-Institut, ein unabhängiges Forschungs- und Aktionszentrum, fordert Regelungen, die es Jüdinnen und Juden in Deutschland ermöglichen, ihre Religion auszuüben. Dazu gehört auch die Arbeitsruhe an Feiertagen.

Das Judentum schreibt vor, was an religiösen Feiertagen erlaubt ist und was nicht. Viele jüdische Menschen sagen, dass sie zwar nicht sonderlich religiös leben, aber doch den einen oder anderen jüdischen Feiertag begehen möchten. Und genau hier fangen die Probleme an.

Schabbat

Der Schabbat ist der wöchentliche Ruhetag. Anders als im Christentum beginnt dieser am Freitagabend und endet am Samstagabend. Im Pentateuch ist in 3.Mose 23,3 festgelegt, dass am siebten Tag keine Arbeit verrichtet werden darf. Orthodoxe verrichten am Schabbat keine Tätigkeiten, die nach der Halacha als Arbeit definiert sind.

Die 39 Melachot beziehen sich ursprünglich auf die Tätigkeiten, die für den Bau des Zeltes notwendig waren, das das jüdische Volk auf seiner Wanderung durch die Wüste mit sich führte. Sie sind zu allgemeinen Prinzipien geworden, die für alle Lebensbereiche gelten. Daraus ergibt sich unter anderem das Verbot, Feuer zu entfachen, was den Gebrauch von elektrischen Geräten einschließt, oder das Verbot, Gegenstände mit sich zu führen.

Herausforderungen in Schule und Studium

Die Kombination von Schabbat und Besuch einer Bildungseinrichtung stellt für Orthodoxe ein Problem dar. Wenn z.B. Prüfungen auf einen Tag fallen, an dem aus religiösen Gründen nicht geschrieben oder gearbeitet werden darf, kann ein Ersatztag beantragt werden. Der Antrag ist jedoch mit der Offenlegung der Religion verbunden. Das ist seit dem 7. Oktober nicht unbedingt beliebter geworden. Gleichzeitig häufen sich die Berichte von jüdischen Studierenden, die keinen Ersatztermin erhalten haben.

Um dem Gesetz gerecht zu werden, müssten diese also ihre religiösen Grundsätze ändern oder an den Veranstaltungen teilnehmen, was wiederum zu längeren Studien- und Ausbildungszeiten führt.

Ein striktes Schreib- und Arbeitsverbot an bestimmten Feiertagen kennt nur die jüdische Religion, Christentum und Islam belassen es bei Empfehlungen.

Einige Regelungen scheinen sich zu sehr an überkommenen christlichen Bräuchen zu orientieren. Der Hauptgottesdienst an jüdischen Feiertagen ist zwar gesetzlich geschützt, gleichzeitig geht das Gesetz aber ausnahmslos von einem im Christentum üblichen Gottesdienst am Vormittag aus, während jüdische Gottesdienste fast ausschließlich am Nachmittag und Abend stattfinden.

Eine weitere Merkwürdigkeit ergibt sich aus dem bayerischen Gesetz über den Schutz der Sonn- und Feiertage. Danach gilt auch das Osterfest als jüdischer Feiertag, obwohl es so etwas im Judentum gar nicht gibt.

Reform des Feiertagsrechts

Die Schwierigkeiten in Schule und Studium, Feiertage einzuhalten, sind nur ein Beispiel für die Probleme vieler Mitglieder der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland. Die großen Umsetzungsschwierigkeiten wurden bei einer Tagung des Tikvah Instituts am 04. Juni 2024  in Berlin deutlich.

Eine Reform des Feiertagsrechts nicht nur in Berlin forderte dort Tikvah-Geschäftsführer Volker Beck. Denn manche der in einem Dickicht von Landesgesetzen und Verordnungen verankerten Regelungen wirken diskriminierend – trotz der grundgesetzlich garantierten Religionsfreiheit. In der Praxis kommt es immer wieder zu Konflikten. Als Beispiel nannte der Richter Doron Rubin den Fall eines jüdischen Arbeitslosen, der an einem hohen Feiertag zum Jobcenter gebeten wurde. Die Behörde akzeptierte seine Absage nicht.

Das Policy-Paper der Tagung meint dazu:

Feiertag ist nicht gleich Feiertag. Die Bedeutung von Feiertagen ist selbst innerhalb einer religiösen Tradition unterschiedlich. Das Feiertagsverständnis der christlich geprägten Mehrheitsgesellschaft sollte nicht pauschal auf andere religiöse Traditionen übertragen werden.

Deshalb werden gesetzliche Änderungen gefordert.

  1. Das Feiertagsgesetz sollte hinsichtlich der Benennung der Feiertage, ihrer Veröffentlichung durch die Senatsverwaltung für Inneres und Sport und durch Klarstellung, dass der Schabbat dem jüdischen Feiertagsschutz unterliegt, präzisiert werden.
  2. Beamten- und öffentliches Dienstrecht sind in gleicher Weise anzupassen
  3. An Schabbat und den jüdischen Feiertagen müssen die Bekenntniszugehörigen an den Schulen aller Gattungen unterrichtsfrei bekommen
  4. Das Hochschulgesetz ist ebenfalls so anzupassen, dass Ersatztermine für Prüfungen angeboten werden
  5. Sonderbefreiung für Trauerfälle § 616 BGB / Verordnung über den Sonderurlaub
  6. Ladenöffnungsgesetz

Der letzte Punkt erfordert eine Anpassung der Ladenöffnungszeiten, da das jüdische Arbeitsverbot auch am Schabbat (also samstags) gilt. Wie eingangs erwähnt, dürfen religiöse Jüdinnen und Juden an diesem Tag auch nicht einkaufen gehe, daher wäre es sinnvoll, wenn als Ersatz koschere Lebensmittelgeschäfte am Sonntag öffnen dürften. Dem stehen jedoch die meisten deutschen Landesverfassungen entgegen, die den Sonntag als Tag der Arbeitsruhe definieren und schützen.

Berücksichtigt man alle jüdischen Feiertage, so darf an insgesamt 13 Feiertagen und 52 Schabbattagen nicht gearbeitet werden. Das Tikvah Institut schlägt eine gesetzliche Regelung vor, nach der Jüdinnen und Juden auf eigenen Wunsch auch an den arbeitsfreien Feiertagen nicht arbeiten müssen.

Im Anschluss betonen die Initiatoren, dass die Befürchtung, die Ausgestaltung von Einzelregelungen für jede Religion könne zu einer unkontrollierten Ausweitung führen, unbegründet sei. Dies sei kein Präzedenzfall. Bei einer gründlichen Ausarbeitung der neuen gesetzlichen Regelungen bestehe die Möglichkeit, dass alle Weltanschauungen ihre Regeln als Nonplusultra definieren und entsprechend ihre Rechte einfordern. In der Konsequenz würden die koscheren Geschäfte an Samstagen geschlossen, die muslimischen Geschäfteinhaber würden am Freitag ihre Läden schließen und alle anderen blieben bei der bisherigen Regelung und würden nur in Ausnahmefällen am Sonntag öffnen. Gemäß der gesetzlichen Regelung gibt es mehrere verkaufsoffene Sonntage im Jahr, die je nach Bundesland unterschiedlich terminiert sind.

Gesetzliche Lage in Österreich

In Österreich wurde 2019 nach dem sogenannten Karfreitagsurteil entschieden, dass ein zusätzlicher bezahlter Feiertag für einzelne Religionsgemeinschaften nicht mit dem Gesetz vereinbar ist, infolgedessen wurde ein persönlicher Urlaubstag für alle eingeführt. Somit kann jede arbeitende Person einmal im Jahr aus dem bestehenden Urlaubskontingent einseitig einen Tag von der Arbeit freinehmen. In allen anderen Fällen muss der Urlaub mit dem Arbeitgeber abgestimmt werden. Dieses Urteil hilft nicht an Uni und Schule und ist auch nur ein Tag. Allerdings sind klassischerweise Osterferien in der Woche vor dem Frühlingsfruchtbarkeitsfest (aka Ostern). Also ist der Karfreitag für die meisten Angestellten in Bildungseinrichtungen arbeitsfrei. Alle anderen haben einen normalen Arbeitstag.

Aus humanistischer Sicht hat diese Initiative, bei aller berechtigter Kritik, einen großen Pluspunkt. Viele Gesetze basieren weiterhin auf einem überholten, alles andere als zeitgemäßen Christentum und deren weltlicher Auslegung. Daher muss generell über die Gewährung von Sonderrechten für alle Glaubensbekenntnisse gestritten werden. Es geht um Privilegien, die noch aus früheren Jahrhunderten stammen, und um die möglicherweise legitime Forderung nach Sonderrechten, um imaginäre Regeln einzuhalten. Egal, ob in der Schule, im Studium, bei der Arbeit oder im Geschäftsleben.

Auf der einen Seite haben wir den Einfluss der christlichen Kirchen immer weiter zurückgedrängt und viele der Privilegien sind nur noch eine Randnotiz in unseren Geschichtsbüchern. Doch gleichzeitig wollen insbesondere konservative bis rechtsradikale Parteien und Organisationen ein Schreckensszenario aus verfehlter Einwanderungspolitik und einer falsch verstandenen Political Correctness erschaffen, das Frankensteins Monster in nichts nachsteht. In einer bereits vom Hören-Sagen und durch Pauschalisierungen bis zur Unkenntlichkeit verzerrten Wahrnehmung wird bereits vor einem Kniefall vor dem Islam gewarnt. Bisher sind diese Darstellungen in der Boulevardpresse nichts als Zuspitzungen. Gleichzeitig zeigt das Geschehen in Berlin, dass kleine, orthodoxe Initiativen alles Menschenmögliche unternehmen, um neue Formen der Sonderbehandlung einzuführen und in Gesetzestexten im alltäglichen einzubetonieren.


Begriffserklärungen:

  • Pentateuch: Die ersten fünf Bücher der Bibel: Genesis, Exodus, Levitikus, Numeri, Deuteronomium.
  • Halacha: Das jüdische Rechtssystem, das das religiöse und alltägliche Leben regelt.
  • Melachot: Die 39 Tätigkeiten, die am Schabbat verboten sind, z.B. Pflügen, Ernten, Feuermachen.

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Peter Jaglo

Peter Jaglo studierte Wirtschaftsingenieurwesen an der Hochschule Offenburg und Master of Business Administration an der Hochschule Koblenz. Seit 2024 ist er für die Social Media Aktivitäten des Humanistischen Verbandes Österreich verantwortlich. Seit mehreren Jahren ist er im Bereich Umweltschutz aktiv und unterstützt verschiedene Menschenrechtsorganisationen.

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