Konfessionsfrei, aber nicht interessensfrei
Die Studie zur Konfessionszugehörigkeit (VID) gibt Anlass, auf einen Missstand aufmerksam zu machen: Kaum tritt jemand aus der Kirche aus, wird er/sie als interessenloses Neutrum betrachtet. Die Katholische Religion wird nach wie vor als geheime Staatsreligion gehandelt. Die 8% Muslime sind medial überrepräsentiert, während 17% Konfessionsfreie traditionell als meinungslos betrachtet werden.
Davon sind die Säkularen Humanisten und Konfessionslose weit entfernt. Sie dürfen nur nach dem österreichischen Kultusgesetz nicht einmal ein „Bekenntnis“ sein und eine entsprechend anerkannte Humanistische Gemeinschaft bilden, wie dies z.B. selbst im urkatholischen Bayern der Fall ist. In Österreich gibt es laut Gesetz nur „religiöse“ Bekenntnisse, die den Schutz des Staates verdienen (darunter Zeugen Jehovas)!
Solche Bekenntnisgemeinschaften sind in Bayern rechtlich den Kirchen fast gleichgestellt als Körperschaften öffentlichen Rechts, sie haben das Recht, eigene Radio-Sendungen zu gestalten, sie betreiben humanistische Kindergärten, Schulen und soziale Einrichtungen, vor allem vertreten sie die Interessen ihrer Mitglieder und die der Konfessionsfreien im Allgemeinen.
Aus Sicht der Religiösen sind die Konfessionsfreien nämlich konfessionslos, haben also ein Manko.
Sie sind jedoch kein weltanschauliches Neutrum, sondern haben eine klarere Weltanschauung als die meisten Katholiken („Na, da wird es schon irgendwas geben!“).
Sie können kaum in einen Diskurs eingreifen, sie werden als „Gottlose“ diffamiert und mit Terroristen in einem Atemzug genannt (Zsifkovits am 15.7.16).
Man müsste vor allem die Realität des Glaubens berücksichtigen: Danach sind laut Gallup Religiosity Study 2012 über 53% areligiös (10% dezidierte Atheisten) und nur 42% bezeichnen sich selbst als „religös“, während laut VID-Studie 83 % religiös sein müssten: Das bedeutet, dass rund die Hälfte Taufscheinchristen und Scheinmuslime sind. Diese werden aber von Amtskirche und Fundamentalisten vertreten. Säkulare werden automatisch von diesen vereinnahmt und als „Gläubige“ angesehen. Sich zur Konfessionsfreiheit zu bekennen, ist sozial problematisch und im Islam unmöglich.
Im Klartext: Die Politik hinkt der Realität bewusst hinter her, in der guten alten Zeit hatte man alle Bürger via Religion noch gut im Griff. Jedem ist klar, dass in einer pluralistischen Gesellschaft die einzige Art des Zusammenlebens nur durch Säkularität („Religion ist Privatsache“) gewährleistet ist. Die Religiösen fühlen sich allein durch die geduldete Existenz (Toleranz) anderer Bekenntnisse eingeengt bis beleidigt, weil die Anerkenntnis anderer Religionen und Götter nebeneinander schon per se eine Relativierung der eigenen Absolutheit bedeutet.
Die katholische Kirche entkommt dem Vorwurf des Fundamentalismus nur durch die erfreuliche rege Übernahme von humanistischem Gedankengut („Nicht Gott steht im Mittelpunkt, sondern der Mensch“) und Verkauf als eigene „christliche Werte“. Da diese Entwicklung in den Augen der Konservativen einen Verrat darstellt, kann man sich ausrechnen, wie schnell hier ein Rückschnalzeffekt wie in Polen zum Tragen kommen kann.
Dem kann man nur entgegenwirken, indem man Etikettenschwindel vermeidet, humanistische Entwicklungen fördert statt unterdrückt, sie auch so benennt und den Staat und Kirche konsequent trennt. Das bedeutet z.B. dass die Antwort auf muslimische Kindergärten nicht katholische sind sondern humanistische. Kinder haben ein Recht auf die Wahrheit „state-of-the-art“, z.B. dass der Mensch ein Produkt der Evolution ist. Erbsünde oder böse Träume eines Phantasten von vor 1400 Jahren sollten nicht als Fakten verkauft werden.
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