Nachruf auf Hans Albert

Hans Albert spielte als deutscher Philosoph und Soziologe eine herausragende Rolle als bedeutender Verfechter des kritischen Rationalismus. Seine Ideen und Beiträge prägten das Forum Alpbach über viele Jahre hinweg maßgeblich.

© Evelin Frerk / Giordano-Bruno-Stiftung

In Hans Alberts Werk “Traktat über kritische Vernunft” aus dem Jahr 1968 wird betont, dass alle Formen der Gewissheit in Bezug auf Wissen letztlich menschengemacht sind und daher keine wirkliche Erfassung der Realität ermöglichen. Mit anderen Worten bedeutet es, dass wir keine absolut sicheren Aussagen machen können. Hans Albert, ein überzeugter Atheist, lehnte alle Theorien ab, die absolute Sicherheit versprechen, da er sie als versteckte theologische Konstrukte betrachtete. Dies galt auch für Ansätze, die sich als undogmatisch ausgaben. In seinem kritischen Werk “Das Elend der Theologie” setzte er sich intensiv mit Hans Küng auseinander, und in “Joseph Ratzingers Rettung des Christentums” kritisierte er Papst Benedikt XVI. dafür, wichtigen Fragen wie der Theodizee auszuweichen, also der Frage nach der Verantwortung Gottes für das Böse.

Hans Albert verwarf konsequent den Positivismus, den er zu Beginn seiner intellektuellen Karriere unterstützte, und schloss sich der Denkrichtung Karl Poppers an, der den kritischen Rationalismus etablierte. Der kritische Rationalismus betont, dass man zwar vernünftige Aussagen machen kann, aber nie sicher sein kann, dass sie absolut wahr sind. Man sollte stets bereit sein, seine Theorien zu überdenken, da es keine endgültigen Begründungen gibt. Albert lehnte entschieden die Annahme ab, dass solche Begründungen existieren, und verteidigte diese Position mit kluger Argumentation und Geduld, selbst in Auseinandersetzungen mit Kollegen wie Paul Feyerabend, dessen „Anything goes“ er als zu wenig rational empfand. Gleichzeitig war er jedoch auch kritisch, indem er Habermas als unsinnig und Gadamer als geschwätzig bezeichnete.

Im Jahr 1963 übernahm Hans Albert den neu geschaffenen Lehrstuhl für Soziologie und Wissenschaftslehre an der Universität Mannheim und blieb trotz zahlreicher Angebote bis zu seiner Emeritierung dort tätig. Er wurde mit insgesamt fünf Ehrendoktoraten ausgezeichnet, darunter drei von österreichischen Universitäten (Linz, Graz, Klagenfurt). Seine bedeutende Rolle für die intellektuelle Szene Österreichs ergab sich auch daraus, dass er das Forum Alpbach über viele Jahre hinweg als maßgeblicher wissenschaftlicher Berater prägte. Dort brachte er verschiedene Denker wie Popper, Hayek, Konrad Lorenz und Imre Lakatos zusammen.

Bis zu seinem letzten Tag blieb Hans Albert geistig rege und präzise in seiner Ausdrucksweise. In einem Interview anlässlich seines 100. Geburtstages wurde er gefragt, was den Unterschied zwischen ihm und Karl Popper ausmache. Darauf antwortete er bescheiden: “Ich habe einfach länger gelebt, aber dafür kann ich nichts.”

Hans Albert verstarb heute im Alter von 102 Jahren.

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Dr. Andreas Gradert

Andreas Gradert studierte Theologie an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Psychologie an der University of Liverpool, Wirtschaftswissenschaften am MIT und Mediation am Wifi Salzburg und bei Lis Ripke.

Seit 22 Präsident des Humanistischen Verbandes Österreich, seit 24 der giordano bruno stiftung Österreich, früher im Präsidium Lebenshilfe Salzburg, jetzt im Präsidium Atheisten Österreich , aktiv im Zentralrat der Konfessionsfreien, bei der EU Fundamental Rights Agency, den Skeptikern, den Effektive Altruisten und diversen Menschenrechtsorganisationen sowie Beirat in der Österreichischen Gesellschaft für ein humanes Lebensende.

1 Response

  1. Gerfried Pongratz sagt:

    Sehr schöner, auf die wesentlichen Punkte gebrachter, Nachruf!
    Merci!

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