Belästigung und Gewalt gegenüber LGBTIQ+ nimmt zu

Mehr LGBTIQ+-Personen in Europa gehen nun offen mit ihrer Identität um. Gleichzeitig sind sie mehr Gewalt, Belästigung und Mobbing ausgesetzt als zuvor. Besonders gefährdet sind jüngere LGBTIQ+-Personen. Dies und andere Erkenntnisse gehen aus der jüngsten Umfrage der EU-Agentur für Grundrechte (FRA) hervor, an der mehr als 100 000 LGBTIQ+-Personen in ganz Europa teilgenommen haben.

Der Bericht „LGBTIQ equality at a crossroads: progress and challenges“ (LGBTIQ+-Gleichberechtigung am Scheideweg: Fortschritte und Herausforderungen) erfasst die Erfahrungen, Sichtweisen und Herausforderungen, mit welchen LGBTIQ+-Personen in Europa konfrontiert sind. Außerdem werden die Veränderungen seit den früheren FRA-Umfragen in den Jahren 2019 und 2012 hervorgehoben.

Die Ergebnisse lassen Anzeichen für zögerliche Fortschritte erkennen. Die Diskriminierung von LGBTIQ+-Personen nimmt zwar langsam ab, bleibt jedoch nach wie vor auf einem hohen Niveau. Die Schulen gehen mit LGBTIQ+-Themen positiver und proaktiver um, und die betroffenen jungen Menschen fühlen sich von ihren Lehrkräften und Mitschüler*innen besser unterstützt. Dennoch haben Mobbing, Belästigung und Gewalt ein hohes Niveau erreicht.

Zu den wichtigsten Ergebnissen der Umfrage gehören:

  • Offenheit: Mehr als 1 von 2 Personen gehen heute offen mit ihrer sexuellen Orientierung, Geschlechtsidentität und -ausdruck sowie ihren geschlechtsspezifischen Merkmalen um. Aber die meisten vermeiden es aus Angst vor Angriffen nach wie vor, in der Öffentlichkeit Händchen zu halten.
  • Diskriminierung: Mehr als 1 von 3 Personen werden in ihrem täglichen Leben aufgrund ihrer Identität diskriminiert. Dies ist ein leichter Rückgang im Vergleich zu 2019, als es 2 von 5 waren. Dennoch ist die Diskriminierung nach wie vor kaum sichtbar, da nur 1 von 10 Vorfällen gemeldet werden.
  • Gewalt: Mehr als 1 von 10 Personen hat in den 5 Jahren vor der Umfrage Gewalt erlebt; dies sind etwas mehr als 2019. Mehr als 1 von 3 inter* Menschen wurden angegriffen.
  • Belästigung: Mehr als 1 von 2 Personen waren Opfer von hassmotivierter Belästigung; 2019 war es 1 von 3. 2 von 3 inter* und trans* Personen wurden belästigt.
  • Mobbing: Mehr als 2 von 3 Personen geben an, in der Schule gemobbt worden zu sein, und zwar generationsübergreifend in allen EU-Ländern. Dies ist ein starker Anstieg im Vergleich zu 2019, als es 1 von 2 Personen waren.
  • Bildung: Schulen befassen sich häufiger als zuvor mit LGBTIQ+-Themen. Mehr als 1 von 5 LGBTIQ+-Schüler*innen sagen nun, dass ihre Schule das Thema positiv aufgenommen wurde.
  • Psychische Gesundheit: Mehr als 1 von 3 Personen haben schon einmal über Selbstmord nachgedacht. Mehr als die Hälfte der trans*, nicht-binären und genderdiversen Personen geben an, dass sie Selbstmordgedanken haben.
  • Konversionsmaßnahmen: 1 von 4 Personen geben an, dass sie zu Konversionsmaßnahmen gezwungen wurden, um ihre sexuelle Orientierung bzw. ihre Geschlechtsidentität und -ausdruck zu ändern.
  • Regierungen: Nur 1 von 4 Personen ist der Ansicht, dass ihre Regierung Vorurteile und Intoleranz gegenüber LGBTIQ+-Personen bekämpft. 2019 waren es nur 1 von 3 Personen.

In dem Bericht wird auch hervorgehoben, dass die Erfahrungen von LGBTIQ+-Personen in der EU sehr unterschiedlich sind und jede Gruppe mit unterschiedlichen Herausforderungen konfrontiert ist.

Inter, trans, nicht-binäre und genderdiverse Personen sind häufiger Belästigungen und Gewalt ausgesetzt. Sie sind häufiger mit psychischen Problemen konfrontiert und haben häufiger Suizidgedanken. Außerdem sind sie eher von Obdachlosigkeit betroffen und haben Schwierigkeiten beim Zugang zu medizinischer Versorgung. Dies gilt auch für LGBTIQ+-Personen mit Behinderungen, in finanzieller Not oder Angehörige ethnischer oder anderer Minderheiten.

Die Ergebnisse der Umfrage werden die Europäische Kommission bei der Bewertung ihrer Strategie für die Gleichstellung von LGBTIQ+-Personen unterstützen und dazu beitragen, politische Maßnahmen zum Schutz und zur Förderung der Grundrechte von LGBTIQ-Personen voranzubringen. Die FRA fordert die Regierungen auf, Maßnahmen zu ergreifen:

  • Hasskriminalität: Durchsetzung einer Null-Toleranz-Kultur bei Gewalt und Belästigung von LGBTIQ+-Personen. In die Schulung der Polizei investieren, um sicherzustellen, dass sie Hassdelikte gegen LGBTIQ+-Personen erkennt, erfasst und ordnungsgemäß untersucht, sodass sich die Opfer sicher fühlen, Angriffe anzuzeigen, und fair behandelt werden. Berücksichtigung von Voreingenommenheit als erschwerende Faktoren im Strafverfahren.
  • Diskriminierung: Bekämpfung von Diskriminierung in allen Bereichen durch Annahme der EU-Gleichbehandlungsrichtlinie und der Umsetzung der Richtlinien über Standards für Gleichstellungsstellen. Damit sie die Opfer besser unterstützen können, Gleichstellungsstellen stärken und mit geeigneten Ressourcen ausstatten.
  • Hass im Internet: Hass und Desinformationskampagnen gegen LGBTIQ+-Personen im Internet bekämpfen. Die Gefahr der Voreingenommenheit von Algorithmen muss angegangen und die Rechenschaftspflicht digitaler Plattformen nach EU-Recht sichergestellt werden.
  • Bildung: Sicherstellen, dass Schulen ein sicheres und unterstützendes Lernumfeld für alle Kinder sind. Bekämpfung von Mobbing und Sicherstellung, dass die Lehrpläne und Bildungssysteme auf den von der EU geförderten bewährten Verfahren aufbauen.
  • Gesundheitsversorgung: Sicherer Zugang zu einer qualitativ hochwertigen Gesundheitsversorgung, einschließlich psychologischer Unterstützung. Beendigung von Konversionsmaßnahmen und nicht lebenswichtigen medizinischen Eingriffen.

Die FRA-Direktorin Sirpa Rautio äußert sich hierzu wie folgt: „Offen LGBTIQ+ zu sein, sollte in Europa kein Kampf sein. Obwohl wir Anzeichen für Fortschritte erkennen, stellen Mobbing, Belästigung und Gewalt nach wie vor eine ständige Bedrohung dar. Wir müssen endlich entschlossen handeln und auf den Fortschritten aufbauen, die wir erzielt haben, damit alle Menschen in der EU gleich behandelt werden und in Würde und Respekt leben können.“

Die EU-Kommissarin für Gleichheitspolitik, Helena Dalli, äußert sich hierzu wie folgt: „Die Ergebnisse der FRA-Umfrage liefern wertvolle Daten über die Lebenserfahrungen von LGBTIQ+-Personen in ganz Europa. Sie helfen uns, die Fortschritte zu ermitteln, die wir erzielt haben, und die Herausforderungen aufzuzeigen, die noch vor uns liegen. Ich ermutige alle Mitgliedstaaten, die Daten zu nutzen, um eine solide Politik zur Bekämpfung von Diskriminierung und zum Schutz der Rechte aller LSBTIQ-Personen zu entwickeln.“

Diese Umfrage stützt sich auf die Ergebnisse von über 100 000 Befragten aus allen 27 EU-Ländern sowie Albanien, der Republik Nordmazedonien und Serbien.

Die FRA wird den Bericht auf der vom belgischen EU-Ratsvorsitz organisierten Veranstaltung „Pride Alliances and Policy“ vorstellen, die am 17. Mai in Brüssel stattfindet.

Der Datenexplorer der FRA wird in Kürze die Möglichkeit bieten, Daten nach Ländern, Erhebungsfragen sowie sexueller Orientierung, Geschlechtsidentität, Geschlechtsausdruck sowie -merkmalen zu filtern.

Diese Pressemitteilung wurde vom Übersetzungszentrum für die Einrichtungen der
Europäischen Union übersetzt, jedoch nicht von Sachverständigen der FRA
lektoriert.

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Dr. Andreas Gradert

Andreas Gradert studierte Theologie an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Psychologie an der University of Liverpool, Wirtschaftswissenschaften am MIT und Mediation am Wifi Salzburg und bei Lis Ripke.

Seit 22 Präsident des Humanistischen Verbandes Österreich, seit 24 der giordano bruno stiftung Österreich, früher im Präsidium Lebenshilfe Salzburg, jetzt im Präsidium Atheisten Österreich , aktiv im Zentralrat der Konfessionsfreien, bei der EU Fundamental Rights Agency, den Skeptikern, den Effektive Altruisten und diversen Menschenrechtsorganisationen sowie Beirat in der Österreichischen Gesellschaft für ein humanes Lebensende.

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