Anglo-Atheisten: sehenswert, hörenswert, teilenswert
Wo findet man die zungenfertigsten Atheisten? Deutschsprachige YouTuber und Vortragsredner tun ihr Bestes. Aber nur rund 135 Millionen Menschen sind des Deutschen mächtig und im Vergleich sprechen 1,5 Milliarden Englisch als Mutter- oder Zweitsprache – so nimmt es nicht Wunder, dass die eloquentesten Gottlosen aus dem anglophonen Raum stammen.
Die Veteranen sind verstorben, bewegen aber weiter die Gemüter und befeuern den Dialog: der ikonische Bertrand Russell, die kontroverse Ayn Rand, der brillante Richard Feynman, der fabelhafte Carl Sagan, das Physikgenie Stephen Hawking, der Nobelpreisträger Steven Weinberg und der zu früh verblichene Rhetorikmeister Christopher Hitchens.
Nach wie vor aktiv sind Professor Richard Dawkins (geb. 1941), dessen Bücher die Welt veränderten und in jedes Regal gehören, der säkulare Philosoph Daniel Dennett (geb. 1942), der aussieht wie der Weihnachtsmann, aber bedeutend mehr zu sagen hat, der konservative und notorisch optimistische Linguist Steven Pinker (geb. 1954) und als Jüngster der alten Garde der Neurowissenschaftler Sam Harris (geb. 1967), der sich Feinde machte, weil er neben allen anderen Göttern auch unerschrocken den islamischen Allah in den Wind schießt.
Die Veteranen, Hut ab. Aber wer trägt die Fackel weiter? Zum Beispiel:
Aron Ra (geb. 1962), amerikanischer Aktivist und Podcaster. Mit seinen langen Haaren und der einschüchternden Statur sieht er aus wie ein Hells-Angels-Rocker auf der Harley-Davidson. Der Ex-Mormone, Skeptiker, Paläontologe und Anthropologe bekämpft seit Jahrzehnten mit Verve und Wissen den Kreationismus im US-Bibelgürtel. Ra war Präsident der Atheist Alliance of America, fungiert als Regionaldirektor der American Atheists und kandidierte sogar als Demokrat für den texanischen Senat. Als Mitglied der „Unheiligen Dreifaltigkeit“ tourte er mit anderen Aktivisten durch die Vereinigten Staaten, Europa und Australien. Seine Videoserien muss man gesehen haben, in denen er minutiös kreationistische Lügen demontiert (Foundational Falsehoods of Creationism), scheinbar unwiderlegbare Gottesbeweise widerlegt (Refuting the Irrefutable Proof of God) und die Sintflut in die Pfanne haut (How Aron Ra Disproves Noah’s Flood).
Seth Andrews (geb. 1968), amerikanischer Autor und Redner, der nach Jahrzehnten als fundamentalistischer Radiomoderator zum Atheismus fand. Seine „Bekenntnisse“ schrieb er nieder (Confessions of a Former Fox News Christian); ein anderes seiner Bücher beschreibt aus heutiger Sicht, wie der Jesuswahn ihn zum plappernden Einfaltspinsel machte (Christianity Made Me Talk Like an Idiot). Mit seiner sonoren Stimme ist er Wortführer der Online-Community The Thinking Atheist und bemüht sich um einfühlsame und aggressionsfreie Dialoge. 2013 ehrte man Andrews mit dem „Evolve Award For Excellence in a Podcast“ für seinen Gentleman-Stil, der beweise, dass man „Atheist sein kann, ohne als Miesepeter anzuecken.” Wie faustdick er es hinter den Ohren hat, zeigen seine sarkastischen Vorträge und YouTube-Videos, in denen er die wissenschaftliche, historische und moralische Unhaltbarkeit des Gottesglaubens am Nasenring vorführt.
Matt Dillahunty (geb. 1969) wuchs im ultra-religiösen Texas auf und wollte nach seiner Militärkarriere aufs Baptisten-Priesterseminar. Zur Vorbereitung studierte er die Bibel mit dem erklärten Ziel, seinen Glauben rechtfertigen zu können – doch je mehr er las, desto ungläubiger wurde er. Beinahe 20 Jahre lang stritt er danach als Präsident der Atheist Community of Austin und prominentester Gastgeber der Telefonshow The Atheist Experience mit Theisten, bis er 2022 der Vereinsmeierei den Rücken kehrte; seine witzigen, zornigen und bibelfesten Tiraden streamen nun im YouTube-Kanal The Line. In Podiumsdiskussionen spielte Dillahunty berüchtigte Esoterikpromis wie Dinesh D’Souza und Jordan Peterson locker an die Wand und stand auf der Bühne mit Harris, Dawkins und Lawrence Krauss. Als Skeptiker, Humanist, LGBT-Sympathisant und Kämpfer für das Abtreibungsrecht zählt er zu den lautesten Fürsprechern der Vernunft.
Tim Minchin (geb. 1975), britisch-australischer Komponist, Schauspieler, Dichter und Musicalstar. Er ist ein rotzfrecher, wichtiger Wicht: das singende Rumpelstilzchen der Ungläubigen. 2010 wurde er Distinguished Supporter der British Humanist Association und im Regal stehen der Olivier-Award, der Tony-Award und der Grammy-Award. Minchin spielt am New Yorker Broadway und rund um die Welt in ausverkaufen Hallen, oft mit Sinfonieorchestern als tönender Kulisse. Bei seinen umjubelten Auftritten erscheint er – selbst in der Royal Albert Hall – bloßfüßig, mit starkem Eyeliner und wildem Haarschopf, ein „Spagat zwischen Selbstironie und dem Drang, eine Kultfigur zu sein“. Oft nimmt der erklärte Dawkins-Fan das Thema Religion aufs Korn, das, wie er sagt, „für Satiriker nie tabu sein darf“. Argumente und Fakten mögen wirksam sein, doch gesetzt in Humor, Reime und Musik hallt und knallt seine atheistische Botschaft noch stimmiger.
Forrest Valkai (geb. 1992), Biologe, Online-Pädagoge und Jugendadvokat. In Amerika tourt der sprachgewandte Renegade Science Teacher als Gastredner durch Hochschulen, Bibliotheken und Studenten-Camps, wo er spannende Experimente vorführt, die Liebe zum Lernen predigt und mit ansteckender Fröhlichkeit säkulare Denkweisen unters Volk bringt. „Ich bin stolz darauf, wissenschaftliche Lektionen anzubieten, die zum Nachdenken anregen und die Schüler inspirieren“, sagt der atheistische Pfiffikus und Wissenschaftsvermittler, der in seinen Performances ungeniert die Argumente von Dawkins, Hitchens & Co in aufgefrischter Form wiederholt: Hauptsache, das Gedankengut erreicht den Nachwuchs. Herausragend sind unter anderem Valkais Beiträge zur Evolutionslehre und zur Gender-Thematik. Sein mitreißender Enthusiasmus katapultierte ihn auf YouTube in den Fokus aller Altersgruppen.
Alex O’Connor (geb. 1999) ist ein Phänomen: Mit zarten 24 Jahren debattiert der atheistische Jungstar auf mehreren Kontinenten öffentlich über Ethik, Religion und Politik, wobei er hochkarätigen Gegnern mit messerscharfer Logik und Redekunst Paroli bietet – etwa dem römisch-katholischen Bischof Robert Barron oder dem berüchtigten Apologeten-Guru William Lane Craig. Neben seiner ausgefeilten Religionskritik tritt O’Connor leidenschaftlich für Tierrechte und den Veganismus ein; wer weiter Schnitzel essen will (so wie ich), hat an seinen Argumenten kräftig zu kauen. Erst kürzlich promovierte er in Philosophie und Theologie in Oxford, doch schon lange davor rissen sich Universitäten, Radio-Talkshows und das britische Fernsehen um ihn. O’Connors Online-Videos, Podcasts und Blogartikel unter dem Namen Cosmic Skeptic erreichen insgesamt rund fünfzig Millionen Seher und Leserinnen.
Natürlich sind die hier Genannten nur eine kleine Auswahl, viele weitere Sterne strahlen am Atheistenhimmel. Wer gehört eurer Meinung noch dazu?
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Auf jeden Fall gehören Noah Lugeons, Heath Enwright und Eli Bosnick dazu. Sie gestalten zusammen die Podcasts “Scathing Atheist” und “God Awful Movies”, und zwar jede Woche.
https://podsearch.com/listing/the-scathing-atheist.html
https://www.youtube.com/watch?v=Z-ntV08LenE
Neben dem enormen Unterhaltungswert sind sie auch sehr informativ, wenn man mit dem wirklich sehr kritischen und untergriffigen Tonfall klarkommt.
Weiters sollte auch Hemant Mehta, “The Friendly Atheist” nicht fehlen. Er ist ein Ein-Mann-Nachrichtendienst für Themen aus Religion und dem säkularen Bereich.
https://www.youtube.com/@FriendlyAtheist1
https://onlysky.media/hemant-mehta/
Na, dann merken wir uns die doch einmal.
Zitat Artikel: “die kontroverse Ayn Rand”
ich bitte um Erläuterung, was an Ayn Rand – NUR – “kontrovers” sein soll …
Ayn Rand hat ja ganz “spezielle” Fans, unter anderem auch diesen:
“(…) Als dem Libertarismus Nahestehender lehnt [der Antisemitismusbeauftragte Baden-Württembergs Dr. Michael] Blume jeglichen staatlichen Eingriff ab, also auch gegen die Anthroposophie. Blume veröffentlichte jahrelang bei der der “Neuen Rechten” zugeordneten Monatsschrift eigentümlich frei, Zitat Wikipedia: “Die Politikwissenschaftlerin Karin Priester schrieb Ende 2010 in ‘APuZ’, dass der minimalstaatliche Libertarismus in Deutschland ein Forum in der Zeitschrift ‘eigentümlich frei’ finde. Die ideologischen Leitfiguren seien die politischen Philosophen Murray Rothbard und Ayn Rand, welche Eigennutz und Egoismus moralphilosophisch als Tugenden legitimierten.” Für Blume ist Ayn Rand – die Ikone der rechten Libertären – eine “große Liberale” (sic!). (…)“
Quelle (und weiterführende links): “Der Antisemitismus-Beauftragte und die Anthroposophie“, https://hpd.de/artikel/antisemitismus-beauftragte-und-anthroposophie-19076