Laizitätsgesetz missachtet: Freidenker verklagen den französischen Staat

Heute Morgen erreichte uns eine Pressemitteilung der Fédération Nationale de la Libre Pensée (FNLP), des französischen Freidenkerverbandes, über einen historischen Schritt nach jahrelanger Vorbereitung:

Die FNLP klagt gegen den vermeintlich laizistischen französischen Staat, weil dieser seinen eigenen rechtlichen Verpflichtungen zur Einhaltung des Gesetzes von 1905 über die Trennung von Staat und Kirche nicht nachkomme.

In den kommenden Wochen wird eine zweite Klage, diesmal vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, zum Thema Datenschutz und Apostasie folgen.

Über diese Themen und andere (wie Missbrauchsfälle in den etablierten Kirchen aber auch die Organisation freigeistiger Solidaritätsverbände) wird sich die nächste offene Tagung der International Association for Freethought befassen, die im Oktober 2025 in Frankreich stattfindet.

(s. Anhang). Anmeldung oder Interessenmeldung erfolgen per Email an: c.eyschen-vp@fnlp.fr


Französisches Laizitätsgesetz systematisch umgangen : Freidenkerverband verklagt den französischen Staat

Seit der Verabschiedung des 1905er Gesetzes zur Trennung von Staat und Kirchen gilt oft Frankreich als das Land der Laizität schlechthin. Vom Anfang an wurde aber dieses Laizitätsgesetz in großen Teilen des Staatsgebiets nicht umgesetzt. Es folgten dann jahrzehntelange Versuche, das Gesetz über eine Reihe von Maßnahmen auszuhöhlen: In diesem “laizistischen” Land gibt es jetzt unzählige Steuerrabatte für KirchenSubventionen für konfessionelle Schulen oder die Benutzung öffentlicher Mittel und Symbole für religiöse Zeremonien.

Seit mehreren Jahren werden diese Verletzungen vom französischen Freidenkerverband dokumentiert und bei jedem Anlass angefochten – meistens mit Erfolg. Auf dieser Grundlage geht jetzt die älteste Organisation der säkularen Szene in die Offensive und verklagt den französischen Zentralstaat wegen seines systematischen Versagens in diesem Bereich. Nachdem die französische Regierung einen am 8. April verschickten verfahrensbedingten Warnbrief ignoriert hat, darf der Verband seit dem 9. Juli vor das zuständige Pariser Verwaltungsgericht ziehen.

Die Klage wurde am 16. Juli eingereicht. Es wurde sechs konkrete Verdachtsfälle genannt, von der Nicht-Umsetzung des Gesetzes im Elsass und in den Überseegebiete bis hin zu den milliardenschweren Subventionen für katholische Kirchen, über die Beteiligung von staatlichen AmsträgerInnen in Uniform anlässlich religiöser Zeremonien. Nicht zu vergessen sind auch die jährlichen Empfange des Staatspräsidenten mit römisch-katholischen Bischöfe und Nuntien und die steuerliche Begünstigung der Kirchen im Vergleich zu anderen Verbänden.

2021 hatte ein vergleichbares Verfahren nach zwei Jahren zu einer historischen Verurteilung des Staates wegen Nicht-Einhaltung seiner eigenen Klimaziele. Mithilfe dieses Präzedenzfalles erhofft sich der Freidenkerverband eine erneute Verurteilung des Staates sowie eine konkrete Aufforderung zum Handeln für weltanschauliche Selbstbestimmung und staatliche Neutralität.

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Dr. Andreas Gradert

Andreas Gradert studierte Theologie an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Psychologie an der University of Liverpool, Wirtschaftswissenschaften am MIT und Mediation am Wifi Salzburg und bei Lis Ripke.

Seit 22 Präsident des Humanistischen Verbandes Österreich, seit 24 der giordano bruno stiftung Österreich, früher im Präsidium Lebenshilfe Salzburg, jetzt im Präsidium Atheisten Österreich , aktiv im Zentralrat der Konfessionsfreien, bei der EU Fundamental Rights Agency, den Skeptikern, den Effektive Altruisten und diversen Menschenrechtsorganisationen sowie Beirat in der Österreichischen Gesellschaft für ein humanes Lebensende.

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