Humanismus, Sustainable Development Goals und Menschenrechte

Was ist die Agenda 2030?

Im September 2015 haben 193 Mitgliedsstaaten auf dem UNO-Nachhaltigkeitsgipfel der Vereinten Nationen in New York eine Partnerschaft für Frieden, Wohlstand für alle und Umwelt- und Klimaschutz unterzeichnet: die Agenda 2030.

Mit der Unterzeichnung wurden erstmals weltweit gültige Nachhaltigkeitsziele beschlossen, die Sustainable Development Goals (SDGs). Die Agenda 2030 bietet damit Leitlinien für eine nachhaltige Entwicklung auf ökonomischer, ökologischer und sozialer Ebene und basiert auf dem Prinzip der Inklusion aller Menschen.

Die Agenda 2030 in Österreich

Die Umsetzung der Agenda 2030 ist ein gesamtstaatliches Anliegen:

Die österreichische Bundesregierung hat am 12. Jänner 2016 per Ministerratsbeschluss alle Bundesministerien beauftragt, die Prinzipien der Agenda 2030 und deren Nachhaltigkeitsziele in die relevanten Strategien und Programme zu integrieren und gegebenenfalls entsprechende Aktionspläne und Maßnahmen zu erarbeiten.

Österreich bekennt sich zur Umsetzung der Agenda 2030 der Vereinten Nationen mit ihren 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs). Die Agenda 2030 bietet einen völkerrechtlich verbindlichen Rahmen, der alle Dimensionen nachhaltiger Entwicklung systematisch berücksichtigt und damit ein gutes Leben für alle nach dem Prinzip “Leaving no one behind” gewährleisten soll.

Dabei sollen alle relevanten staatlichen Organe und KooperationspartnerInnen auf Bundes-, Landes-, Städte- und Gemeindeebene sowie Sozialpartner, Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft einbezogen werden.

  • Auch wenn die Hauptverantwortung für die Erreichung der SDGs bei den Regierungen der UN-Mitgliedsstaaten liegt, ist auch die Zivilgesellschaft – und damit auch eine Organisation wie der Humanistische Verband Österreich – gefordert, ihren Beitrag zu leisten und nachhaltige Entwicklung zu fördern.
  • Darüber hinaus sehen wir Humanisten es als unsere Aufgabe, die Bundesregierung immer wieder daran zu erinnern, dass sie ein humanitäres Nachhaltigkeitsversprechen an die Weltgemeinschaft abgegeben hat, das es einzuhalten gilt.
  • Und zusätzlich sehen wir es als unsere Aufgabe, die Bundesregierung immer wieder an uns zu erinnern. Denn unser Humanismus und die Nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen (Sustainable Development Goals, SDGs) haben eine Verbindung, die auf gemeinsamen Werten und Zielen beruht.

Schauen wir uns an, in welchen einzelnen Zielen Humanismus und die SDGs kongruent sind.

Gemeinsame Werte und Ziele

1. Menschenwürde und Menschenrechte

Humanismus: Der Humanismus misst der Würde und den Rechten jedes einzelnen Menschen große Bedeutung bei. Er betont die Freiheit, die Gleichheit und den Respekt vor der individuellen Persönlichkeit.

SDGs: Die SDGs umfassen Ziele zur Beendigung der Armut (Ziel 1), zur Förderung hochwertiger Bildung (Ziel 4), zur Gleichstellung der Geschlechter (Ziel 5) und zur Förderung menschenwürdiger Arbeit und wirtschaftlichen Wachstums (Ziel 8). Diese Ziele spiegeln die Achtung der Menschenrechte und der Würde jedes Menschen wieder.

2. Bildung und Wissen:

Humanismus: Bildung und Wissen sind zentrale Elemente des Humanismus. Die Förderung von kritischem Denken, Wissenschaft und Kunst sind dabei wesentliche Aspekte.

SDGs: Ziel 4 der SDGs betont die Bedeutung von inklusiver, gleichberechtigter und hochwertiger Bildung und fördert lebenslanges Lernen für alle. Bildung wird als Schlüssel für nachhaltige Entwicklung und die Verbesserung der Lebensqualität anerkannt.

3. Gerechtigkeit und Gleichheit:

Humanismus: Gerechtigkeit und Gleichheit sind Grundprinzipien des Humanismus. Dazu gehört die Bekämpfung von Diskriminierung und sozialer Missstände.

SDGs: Mehrere SDGs zielen darauf ab, Ungleichheiten zu verringern (Ziel 10), Frieden und Gerechtigkeit zu fördern (Ziel 16) und den Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen zu gewährleisten (Ziel 1), um gerechte und integrative Gesellschaften zu schaffen.

Praktische Anwendung und Umsetzung

4. Globales Bewusstsein und Kooperation

Humanismus: Humanismus fördert ein globales Bewusstsein für ökologische, soziale, kulturelle, politische und wirtschaftliche Zusammenhänge und die Zusammenarbeit von Menschen unterschiedlicher Kulturen und Herkunft.

SDGs: Die Umsetzung der SDGs erfordert globale Partnerschaften und Zusammenarbeit (Ziel 17). Die Ziele erkennen an, dass globale Herausforderungen wie Klimawandel (Ziel 13), Armut (Ziel 1) und Ungleichheit (Ziel 5) nur durch gemeinsame Anstrengungen gelöst werden können.

5. Nachhaltigkeit und Zukunftsorientierung

Humanismus: Ein zukunftsorientierter Humanismus weiß um die Verantwortung gegenüber zukünftigen Generationen und die Notwendigkeit, eine nachhaltige und gerechte Welt zu schaffen.

SDGs: Nachhaltigkeit ist ein zentraler Aspekt der SDGs, sowie Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels (Ziel 13), andere Ziele befassen sich mit nachhaltiger Landwirtschaft (Ziel 2), Wassernutzung (Ziel 6) und Energieversorgung (Ziel 7).


Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR) und die Sustainable Development Goals (SDGs) sind natürlich zwei separate Dokumente mit unterschiedlichen Zwecken und Schwerpunkten.

  • Die AEMR legt grundlegende Menschenrechte fest, die von allen Menschen unabhängig von ihrem Standort, ihrer Kultur oder ihrer Regierung anerkannt werden sollten.
  • Die SDGs hingegen sind ein Rahmenwerk für die weltweite Entwicklung und setzen Ziele für verschiedene Bereiche wie Armutsbekämpfung, Bildung, Gesundheit, Umweltschutz und wirtschaftliche Entwicklung.

Während die SDGs viele Aspekte der Menschenrechte ansprechen, sind nicht alle SDGs direkt in der AEMR enthalten, und nicht alle Aspekte der AEMR sind in den SDGs abgedeckt. Die AEMR betont grundlegende Rechte wie das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person, das Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz und das Recht auf Arbeit und Bildung. Die SDGs hingegen adressieren eine breitere Palette von Themen und Zielen, darunter Umweltschutz, nachhaltige Entwicklung, Geschlechtergleichstellung und die Förderung von Frieden und Gerechtigkeit.

Überschneidungen:

  1. Recht auf Gesundheit:
    • AEMR: Artikel 25 besagt, dass jeder das Recht auf einen Lebensstandard hat, der seine und seiner Familie Gesundheit und Wohl gewährleistet, einschließlich Nahrung, Kleidung, Wohnung und ärztlicher Versorgung.
    • SDGs: Ziel 3 strebt an, ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters zu gewährleisten und ihr Wohlergehen zu fördern. Es umfasst spezifische Ziele zur Reduzierung der Mütter- und Kindersterblichkeit, Bekämpfung von Epidemien und Zugang zu grundlegenden Gesundheitsdiensten.
  2. Bildung:
    • AEMR: Artikel 26 erklärt das Recht eines jeden Menschen auf Bildung. Die Bildung soll unentgeltlich und allgemein zugänglich sein, zumindest auf der Grundschulstufe.
    • SDGs: Ziel 4 zielt darauf ab, inklusive, gleichberechtigte und hochwertige Bildung zu gewährleisten und Möglichkeiten des lebenslangen Lernens für alle zu fördern. Es enthält spezifische Ziele zur Erhöhung der Alphabetisierungsrate und zur Beseitigung von Geschlechterungleichheiten in der Bildung.
  3. Geschlechtergleichstellung:
    • AEMR: Artikel 2 und Artikel 7 betonen das Recht auf Gleichheit und Freiheit von Diskriminierung jeglicher Art, einschließlich Geschlecht.
    • SDGs: Ziel 5 zielt darauf ab, Geschlechtergleichstellung zu erreichen und alle Frauen und Mädchen zur Selbstbestimmung zu befähigen. Dies umfasst Ziele zur Beseitigung aller Formen der Diskriminierung und Gewalt gegen Frauen und Mädchen, einschließlich schädlicher Praktiken wie Kinderheirat und weiblicher Genitalverstümmelung.
  4. Arbeit und menschenwürdige Arbeit:
    • AEMR: Artikel 23 betont das Recht auf Arbeit, freien Berufszugang, gerechte und befriedigende Arbeitsbedingungen sowie das Recht auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit.
    • SDGs: Ziel 8 fördert nachhaltiges Wirtschaftswachstum, produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle. Es umfasst Ziele zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und zur Förderung sicherer Arbeitsumgebungen.

Unterschiede:

  1. Umweltschutz:
    • AEMR: Beinhaltet keine spezifischen Bestimmungen zum Umweltschutz.
    • SDGs: Mehrere Ziele befassen sich explizit mit Umweltfragen. Ziel 13 fordert dringend Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und seiner Auswirkungen. Ziel 14 und Ziel 15 konzentrieren sich auf den Schutz und die nachhaltige Nutzung der Ozeane, Meere und Meeresressourcen sowie der Landökosysteme.
  2. Wirtschaftliche Entwicklung und Infrastruktur:
    • AEMR: Artikel 22 und 23 behandeln zwar soziale Sicherheit und das Recht auf Arbeit, aber nicht im umfassenden Kontext der wirtschaftlichen Entwicklung oder Infrastruktur.
    • SDGs: Ziel 9 zielt darauf ab, widerstandsfähige Infrastrukturen aufzubauen, inklusive und nachhaltige Industrialisierung zu fördern und Innovationen zu unterstützen. Es umfasst Ziele zur Verbesserung der Infrastruktur und zur Förderung von Technologie und Innovation.
  3. Bekämpfung von Ungleichheiten:
    • AEMR: Artikel 2 und Artikel 7 betonen Gleichheit und Nichtdiskriminierung, aber nicht speziell im Kontext von Einkommensungleichheit.
    • SDGs: Ziel 10 strebt die Reduzierung von Ungleichheiten innerhalb und zwischen den Ländern an. Es umfasst spezifische Ziele zur Verbesserung der Einkommensverteilung und zur Förderung der sozialen, wirtschaftlichen und politischen Inklusion aller, unabhängig von Alter, Geschlecht, Behinderung, Rasse, ethnischer Zugehörigkeit, Herkunft, Religion oder wirtschaftlichem oder anderem Status.
  4. Frieden und Gerechtigkeit:
    • AEMR: Artikel 3 betont das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person, und Artikel 10 spricht das Recht auf ein faires und öffentliches Gerichtsverfahren an.
    • SDGs: Ziel 16 fördert friedliche und inklusive Gesellschaften für eine nachhaltige Entwicklung, bietet Zugang zu Gerechtigkeit für alle und baut effektive, verantwortungsvolle und inklusive Institutionen auf allen Ebenen. Es umfasst Ziele zur Reduzierung aller Formen der Gewalt, zur Beendigung von Missbrauch, Ausbeutung, Menschenhandel und allen Formen der Folter sowie zur Förderung von Rechtsstaatlichkeit und Zugang zu Gerechtigkeit.

Die Plattform SDG Watch Austria ist ein Zusammenschluss von mittlerweile mehr als 230 Mitgliedern und ist offen für alle zivilgesellschaftlichen Organisationen, die sich für die Umsetzung der Agenda 2030 und der SDGs einsetzen und die Positionen und inhaltliche Ausrichtung teilen. Ihre Aufgaben sind:

  1. Überwachung der Fortschritte:
    • SDG Watch verfolgt die Fortschritte bei der Umsetzung der SDGs und sammeln Daten, Berichte und Statistiken, um die Erreichung der Ziele zu bewerten.
  2. Förderung der Transparenz und Rechenschaftspflicht:
    • Durch die Veröffentlichung von Berichten und Analysen trägt SDG Watch zur Transparenz bei und stellt sicher, dass Regierungen und andere Akteure für ihre Verpflichtungen zur Umsetzung der SDGs zur Rechenschaft gezogen werden.
  3. Bewusstseinsbildung und Information:
    • SDG Watch-Initiativen informieren die Öffentlichkeit über die SDGs und die Bedeutung ihrer Umsetzung. Sie sensibilisieren für die Herausforderungen und Chancen im Zusammenhang mit den Zielen.
  4. Förderung der Zusammenarbeit:
    • SDG Watch fördert die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Interessengruppen, einschließlich Regierungen, NGOs, dem privaten Sektor und der Zivilgesellschaft, um gemeinsame Anstrengungen zur Erreichung der SDGs zu unterstützen.

Wir werden uns für eine Mitgliedschaft bewerben.


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Dr. Andreas Gradert

Andreas Gradert studierte Theologie an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Psychologie an der University of Liverpool, Wirtschaftswissenschaften am MIT und Mediation am Wifi Salzburg und bei Lis Ripke.

Seit 2022 Präsident des Humanistischen Verbandes Österreich, früher im Präsidium Lebenshilfe Salzburg, nun im Präsidium Die Konfessionsfreien | Atheisten Österreich | giordano bruno stiftung Österreich, aktiv in der EU Fundamental Rights Agency | GWUP | Effektive Altruisten und verschiedenen Menschenrechtsorganisationen.

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