Glaube in Computerspielen

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Seit es Computerspiele gibt, lassen sich religiöse Elemente in ihnen finden. Denn die Welt der Religionen bietet eine Fülle an Geschichten, Figuren und Konflikten, die sich bestens eignen für Unterhaltungsmedien.

Computerspiele sind aus dem täglichen Leben vieler Jugendlicher und Erwachsener kaum mehr wegzudenken. Spätestens seit dem Ende der 1980er Jahre sind Spielekonsolen wie das Nintendo Entertainment System Bestandteil jedes Kinderzimmers und Figuren wie Super Mario, Kirby und Link sind aus der Popkultur nicht mehr wegzudenken.

Doch neben diversen Spielfiguren mit Kultcharakter bieten uns die virtuellen Welten einen unbeschreiblichen Vorteil gegenüber der wirklichen Welt. Wir können in verschiedene Rollen schlüpfen und uns die Welt untertan machen. Sei es als Verbrecher in “Grand Theft Auto”, als Fussball(gott), Top-Rennfahrer oder als Soldat, der über Leben und Tod entscheidet. Abgesehen vom Fun-Faktor, gegen den besten Basketballer der Geschichte Michael Jordan Slam Dunks am Fließband abzuliefern, bieten uns Computerspiele vielfältige Möglichkeiten, die künstlich erschaffene Welt zu manipulieren.

Seit es Videospiele gibt, lassen sich religiöse Elemente in ihnen finden. Die Welt der Religionen bietet ein Füllhorn an Geschichten, Figuren, Konflikten, überhaupt an ästhetischen Angeboten für alle Arten von Unterhaltungsmedien an. Religiöse Elemente sind fest in unserer Kultur verankert und tragen vielfach zur optischen Gestaltung bei. Die Gestalten, Orte, Seuchen und Symbole sind hinlänglich bekannt. Egal ob es sich um das Christentum, das Judentum, den Islam, die fernöstlichen Religionen oder die altertümlichen Götterwelten der Ägypter, Griechen, Römer und Wikinger handelt.

Seien es der Sonnengott Ra und seine Asgard Gegenspieler in der Stargate-Franchise, die Percy Jackson Bücher oder eben auch Computerspiele. Unsere Medien quellen von Religion über. 


Das Spiel „God of War“ aus dem Jahr 2005 war eines der erfolgreichsten Videospiele der vergangenen Jahre. Die Handlung der Spieleserie basiert auf antiken Mythologien und wird ausgesprochen brutal erzählt.

Die früheren Spiele bedienen sich munter in der griechischen Göttermythologie. und folgen Kratos, einem spartanischen Krieger, der zum Gott des Krieges wird und auf seinem Rachefeldzug in Konflikt mit verschiedenen olympischen Gottheiten gerät. Die späteren Spiele basieren auf der nordischen Mythologie und sehen Kratos auf einem Pfad der Erlösung, während auch sein Sohn Atreus als sekundärer Protagonist eingeführt wird.

In den Spielen der „God of War“-Reihe nehmen die Spieler den Kampf gegen Titanen und Götter auf (Sony / God of War III (remastered))
In den Spielen der „God of War“-Reihe nehmen die Spieler den Kampf gegen Titanen und Götter auf (Sony / God of War III (remastered))

Darstellung von Religion und Glauben in Computerspielen

Spielmechanisch kommt Religion wirklich dauernd vor. Manchmal dient sie lediglich als Hintergrundgeschichte und eröffnet uns neue Welten wie den Kampf der Tempelritter in “Assasin’s Creed”.  Manche Spiele lassen uns als anderes Extrem in die Rolle von Gott schlüpfen und Welten nach eigenen Wünschen aufbauen wie in “Civilisation”.

Doch fangen wir zuerst mit den offensichtlichen, viel zu oft übersehenen Selbstverständlichkeiten an. In den meisten Spielen bietet die Religion virtuelles Heil an. Was jeder Spieler kennt, ist, dass man in den Tempel geht, um sich zu heilen. Religion ist in vielen Spielen eine Art Reparaturbetrieb für Seelenheil, aber oft auch für körperliches Heil.

Darüber hinaus ermöglichen uns Computerspiele unermessliche, übermenschliche Kräfte durch den Einsatz von Cheats. Die geheimen Tastenkombinationen erlauben uns den unbegrenzten Einsatz von Munition oder liefern uns Unsterblichkeit.

Neben Cheat-Codes verfügen die Charaktere über gottgleiche Fähigkeiten; sie können die Regeln der Physik brechen, Lichtblitze schleudern oder aus dem Nichts Flammen erschaffen. Ihre göttlichen Fähigkeiten werden dabei oftmals in “Mana” gemessen. Der Begriff entstammt der religiösen Alltagswelt der Völker Ozeaniens, vor allem der polynesischen Kultur, und bezeichnet das Potenzial an Spiritualität von Lebewesen oder Gegenständen.

Kaum ein anderes Wort steht so für die Objektivierung von transzendenten Inhalten im Computerspiel und Computerspieler kennen „Mana“ als Zahlenwert für alles, was irgendwie göttlich oder übernatürlich ist. Mehr „Mana“ bedeutet vereinfacht gesagt, mehr Fähigkeiten, mehr Macht, mehr Gott-Sein und damit Spielfortschritt.

Göttliches wird objektiviert und damit profaniert – Transzendenz wird zum Effekt.

Ist das Blasphemie?


1989 erscheint mit dem Strategiespiel Populous die erste sogenannte Göttersimulation. Populous ist ein Spiel, in dem man Gott spielt. Und dieser Gott kriegt umso mehr Macht (Mana), je mehr Menschen an ihn glauben. Mit dieser Macht kann dieser virtuelle Gott dann eine erneuerte Infrastruktur zur Verfügung stellen und dafür sorgen, dass es seinen Anhängerinnen und Anhängern besser geht. Doch dieser Gott kann auch grausam und rachsüchtig sein. Der Spieler und sein Computergegner stellen imaginäre Götter dar, die den epischen Kampf zwischen „gut“ und „böse“ ausfechten, indem sie durch indirekte Einwirkung versuchen, ihr Volk zu mehren und zu stärken, um schließlich das Volk des anderen Gottes zu vernichten.

Als Teil des Spiels kann er Flammensäulen, Erdbeben, Vulkanausbrüche und andere Katastrophen über seine Feinde bringen. Aus diesem Blickwinkel betrachtet, erklärt das Spiel die groben Spielregeln von Religionen, während der Spieler zu Gott wird. Natürlich hat man es hierbei nicht mit einer spirituellen Sicht auf Religionen zu tun, sondern nähert sich distanziert der Thematik an.

Der Spieler steuert sein Gott und damit das eigene Volk (Bullfrog, Populous 1)

Eines der bekanntesten und erfolgreichsten Computer-Strategiespiele ist die 1991 erschienene Civilization-Reihe der kanadischen Designerlegende Sid Meier. Von den einzelnen Versionen des Spiels wurden zusammen weltweit über 33 Millionen Exemplare verkauft. Civilization gilt damit als eine der erfolgreichsten Spieleserien. Im  Oktober 2016 Civilization VI als bislang letzter Ableger der Serie.

In dieser Spiele-Serie lässt sich eine menschliche Zivilisation durch die Geschichte führen: vom Nomadenvolk bis zur Raumfahrernation. Seit dem vierten Teil des Spiels hat ein strategisch wichtiger Aspekt im Spielgeschehen an Bedeutung gewonnen: das Stiften und Verbreiten von Religionen.

Religion hat in der Serie immer so ein bisschen ‚Opium fürs Volk‘-Funktion gehabt: Man konnte Kirchen und Kathedralen bauen; und die hatten ganz klar die Funktion, die Bevölkerung ruhig zu halten.

Im Verlauf des Spiels können auch andere Religionen gegründet werden: der Islam zum Beispiel. Jede Religion hat ihre jeweiligen spielmechanischen Vorteile, über die die Spieler im Netz weltweit diskutieren. Wer z. B. das Judentum als Staatsreligion einsetzt, erhält 25 % Bonus auf die Fähigkeit Gebäudebau.

Ein anderes Beispiel ist der Zusammenhang zwischen der Verbreitung einer Religion und den damit verbundenen finanziellen Auswirkungen auf seine Zivilisation. Die Kirche erscheint nicht primär in ihrer religiösen Funktion, sondern als wirtschaftlicher Motor einer Gesellschaft, die auch mit spirituellen Gütern versorgt werden will. Das Bild von Religion entspricht weitgehend demjenigen von Gesellschaftstheoretikern und Soziologen wie Karl Marx, Max Weber oder Rodney Stark und William Sims Bainbridge, die Religion als Bedingung oder Teilaspekt eines ökonomischen Systems begreifen.

Civilisation VI (Firaxis Games)

Wird Religion also tatsächlich profaniert – zu einem beliebigen Zahlenwert neben anderen, den man beliebig sammeln kann, um im Spiel besser dazustehen? Und ist das blasphemisch?

Glaubensvermittlung durch Videospiele

Hierbei lässt sich in Spiele mit religionspädagogischem Anspruch und primär kommerzielle Spiele unterscheiden. In kommerziellen Spielen dient Religion eher als Mittel zum Zweck für ein unterhaltsames Spielerlebnis, wohingegen die erstgenannte Spiele Kategorie religiöse Haltungen vermitteln möchte.

Die ersten christlichen Videospiele erschienen vor über 30 Jahren. Auf ein bestimmtes Genre waren sie nie beschränkt. Zumeist waren (und sind) viele religiöse Games billig zusammengeschusterte Spiele und verfolgen das Ziel, den Spielern nebenbei ein paar biblische Inhalte zu vermitteln. Zum Großteil sind das vor allem harmlose Bibelquizspiele.


Andere dagegen versuchen, den Spielern eine bestimmte Glaubenshaltung nahezulegen, meistens eine christlich-evangelikale. Diese Spiele werden zum Teil mit hohen Budgets produziert und vertrieben. Exemplarisch hierfür steht The Last of Us: Left Behind.

Das Militärstrategie-Spiel The Last of Us: Left Behind basiert auf den Endzeit-Romanen des amerikanischen Baptisten-Pastors Tim LaHaye. Das Spiel glänzt mit fragwürdigen, vor religiöser Verblendung strotzenden Zitaten.

„In der Geschichte der Menschheit haben Männer und Frauen gewählt zwischen drei Wegen. Jene, die eine tägliche, persönliche Beziehung zu Gott suchen, Ungläubige oder Gläubige, die nicht nach Gott suchen, und jene, die entschieden haben, Gott zu ignorieren. Und die Propheten haben es vorhergesehen: Gott wird kommen, um sein Volk nach Hause zu holen.“

„Für diejenigen, die zurückgeblieben sind, hat die Apokalypse gerade erst begonnen.“

Die gesamte Hintergrundgeschichte ermächtigt den Spieler damit, gute Christen zu spielen. Hintergründig und eher subtil schwingt die Botschaft mit, dass Gewalt als legitimes Mittel für die Missionierung von Nicht- oder Andersgläubigen zum Einsatz akzeptabel und sogar wünschenswert ist.


Ein weiteres Negativ-Beispiel ist Journey to Heaven. Das Spiel wurde von Genesis Works entwickelt. Die Firma Genesis Works steht den US-Freikirchen nahe und schreibt auf ihrer Webseite, es sei ihre Mission, Spiele zu machen, die den christlichen Glauben anregen.

In Journey to Heaven kommt der Spieler zu Beginn an die äußeren Tore des Himmels. Im Verlauf von sieben Leveln gelangt er schließlich bis vor den Thron Gottes. Das Spiel ist grafisch aufwändig und versucht, mit zahlreichen Effekten, also durch überwältigende Technik, religiöse Gefühle zu erwecken.

Der Himmel wird als aufwändig gestaltetes Paradies präsentiert (Genesis Works / Journey to heaven)

Das Problem ist natürlich, dass die religiösen Texte mit sehr viel mehr Bedeutung aufgeladen sind, dass man vielleicht nicht so spielerisch dann mit diesen religiösen Ursprungstexten umgehen kann.

Es gibt nur wenige jüdische oder buddhistische Lernspiele. Anders sieht es in der islamischen Welt aus. Doch die Spiele dort haben weniger religiös-historische Themen, sondern spiegeln vielmehr aktuelle Konflikte im Nahen Osten wider. Darunter befinden sich etwa Ego-Shooter wie „Special Force“, in dem der Spieler in der Rolle eines Hisbollah-Terroristen israelische Soldaten im Libanon bekämpft.

An diesem Beispiel fällt auf, dass die problematischen Seiten der Religion wie Gewaltanwendung zur Durchsetzung der Religion, die Unterdrückung von Frauen und die Legitimation von Gewalt gegen Andersgläubige und Homosexuelle vollständig ausgeblendet werden.


Vor einigen Jahren wollte der japanische Unterhaltungsriese Sony den wachsenden indischen Markt erschließen – indem er Spiele mit regionalem Bezug entwickeln ließ. Das erste war: Hanuman: Boy Warrior. Der Spieler schlüpfte dort in die Rolle von Hanuman – eine Gottheit in der Gestalt eines Affen – überliefert im hinduistischen Ramayana-Epos.

In diesem 3D-Actionspiel kämpft der Spieler mit Hanuman gegen andere Figuren aus dem Ramayana. Trotz der durchweg negativen Rezessionen, wurde das Spiel in Indien ein Verkaufserfolg und zum Vorbild für ähnliche Versuche, Motive aus der hinduistischen Mythologie zu Actionspielen zu machen.

Der Held Hanuman verfügt über gottgleiche Kräfte und lehrt das Böse das Fürchten (Sony / Hanuman: Boy Warrior)

Das Beispiel Hanuman zeigt aber auch: Die Verwendung religiöser Motive in Games wurde von geistlichen Führern und von Gläubigen als Trivialisierung des Glaubens betrachtet.

Grenzen der freien Religionsauslegung

Eines der wichtigsten Elemente eines guten Computerspiels ist Entscheidungsfreiheit. Die Spielerin kann in den Grenzen des Spiels tun und lassen, was sie will. Dieser Grundsatz stellt Spieldesigner und Entwickler, die fundamentalistische Anhänger von Religionsgemeinschaften bedienen wollen, vor ein gewaltiges Problem. Die Glaubenssätze, die religiösen Regeln und die Geschichten in heiligen Büchern sind in Stein gemeißelt. Beispielsweise kann ein Film, der die Geschichte von Jesu erzählt (z. B. Die Passion Christi, Das Leben des Brian), nicht damit enden, dass Jesus von seinen Anhängern befreit und vor der Kreuzigung bewahrt wird. Das würde die Geschichte auf den Kopf stellen.

Wenn der Spieler aber in einem Videospiel die Rolle von Jesus übernimmt – und es nicht schafft, über das Wasser zu laufen und untergeht, weil er das Spiel nicht so gut beherrscht –, verändert dies dann die Geschichte des Matthäus-Evangeliums? So absurd das Beispiel klingt: Im Spiel „Run Jesus Run“ kann genau das passieren.

Daher stellt sich generell die Frage, wie unabänderliche Glaubensinhalte und kanonische Schriften mit einer akzeptablen Interaktivität verheiratet werden können und dürfen. Die Folge: Viele Spiele bedienen sich zwar religiöser Motive, aber die Geschichten, etwa aus Bibel und Koran, sind so gut wie nie Teil der Handlung selbst. Die religiöse Kultur und Tradition dient vielmehr als Folie, auf der die Handlung spielt.

Blasphemie in Computerspielen

Dass ein Spiel als blasphemisch wahrgenommen werden könnte, diesen Eindruck wollen Entwickler von Mainstreamspielen um jeden Preis verhindern. Sie wollen verkaufen, keine Kontroversen auslösen. Doch diese Vorsicht gilt vor allem für große Entwicklungsstudios. Independent-Entwickler haben weniger Berührungsängste.


Ein Beispiel dafür ist Fight of Gods. Epische Musik – Schrift wird eingeblendet: Die Götter sind im Krieg. Auf dem Bildschirm kämpft Zeus gegen Buddha, Anubis und Moses mischen ebenfalls mit. Dann geht eine Sonne über dem Hügel Golgota auf  – ein muskulöser Jesus reißt sich vom Kreuz und prügelt auf Buddha ein. Auf dem Bildschirm erscheint: „Er ist zurück und er ist kreuzwütend.“

Der Trailer zum Videospiel „Fight of Gods“ – Kampf der Götter – stimmt ein auf ein bizarres Prügelspiel. Es versetzt die Spieler in die Rolle von Zeus oder Anubis, Odin oder eben auch Jesus. Und lässt diese dann gegeneinander antreten. Jeder von ihnen mit besonderen Fähigkeiten: Moses etwa, wenn auch streng genommen kein Gott, kann seinen Gegner verletzen, indem er die Steintafeln mit den zehn Geboten anruft. Freya und Athena ziehen mit Kriegswaffen in den Kampf.


Ein anderes Beispiel ist The Binding of Isaac, das auf die biblische Geschichte der Opferung Isaaks anspielt und sich mit viel schwarzem Humor über fundamentalistische Christen lustig macht. Der kalifornische Spieldesigner Edmund McMillen verarbeitet so seine Kindheit in einem christlich-konservativen Umfeld.

Ich wollte die negativen Effekte thematisieren, die Religion auf ein Kind haben kann, negative Effekte, die Religion auf eine Mutter haben kann, auf jemanden, der verwirrt ist aufgrund seiner Sexualität, wie Religion ein Kind mit einer lebendigen Fantasie beeinflussen kann.

Edmund McMillen

In „The Binding of Isaac“ steuert man den namensgebenden Helden durch den Keller unter Isaacs Zimmer und flieht so vor der fanatischen Mutter.

Buchempfehlung

Oliver Steffen: „Gamen mit Gott“, Verlag TVZ, 2017, 164 Seiten, 12.5 x 20.0 cm, Paperback, 26,90 Euro

Quellen:

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Peter Jaglo

Peter Jaglo studierte Wirtschaftsingenieurwesen an der Hochschule Offenburg und Master of Business Administration an der Hochschule Koblenz. Seit 2024 ist er für die Social Media Aktivitäten des Humanistischen Verbandes Österreich verantwortlich. Seit mehreren Jahren ist er im Bereich Umweltschutz aktiv und unterstützt verschiedene Menschenrechtsorganisationen.

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