Österreich hat keine katholische Mehrheit mehr
Im traditionell katholischen Österreich hat die römisch-katholische Kirche ihre Bevölkerungsmehrheit verloren. Dies wurde für den Herbst 2024 erwartet, nach der Veröffentlichung der Zahlen für 2023 wissen wir aber, dass es bereits im Sommer soweit war. Bei einer hohen Zahl von Austritten verlor die Kirche in einem Jahr knapp zwei Prozent ihrer vormaligen Mitglieder und etwas mehr als ein Prozent der gesamten österreichischen Bevölkerung. Die Konfessionsfreien erreichen 32 %.
Im Jahr 2023 betrug die Anzahl der Austritte 85.163, das ist der dritthöchste Wert in den Aufzeichnungen. Der Rekord war mit 90.975 im Jahr davor. Austritte sind aber nicht die einzigen Abgänge: Es gibt auch ein Defizit zwischen Taufen und Todesfällen, und Bewegungen zwischen dem Ausland und Österreich. Ende 2023 waren insgesamt somit 94.243 weniger römisch-katholische Personen in Österreich als Ende 2022. Dies entspricht 1,99 % des alten Wertes.
Interessant ist der Vergleich mit der Gesamtbevölkerung Österreichs. Aus der offiziellen Bevölkerungszahl von der Statistik Austria ergibt sich, dass Ende 2022 52 % der österreichischen Bevölkerung römisch-katholisch war, dieser Anteil sank in einem Jahr auf 50,6 %. Auch ohne große Mathematik ist klar, dass 2024 das Jahr ist, in dem die Bevölkerungsmehrheit zu Ende geht. Nur wenn die Austritte plötzlich auf weniger als die Hälfte zurückgingen, wäre das nicht der Fall – das ist extrem unwahrscheinlich.
Mit der Bekanntgabe der Zahlen für 2023 wurde etwas klarer, wann rechnerisch die Unterschreitung der 50-%-Marke innerhalb des Jahres wahrscheinlich ist. Wenn sich bei der Abwanderungsbewegung im bisherigen Verlauf des Jahres 2024 nicht viel geändert hat, dann war es im Juli 2024 soweit: Der römisch-katholische Bevölkerungsanteil in Österreich fiel unter 50 %. Etwas mehr oder weniger Austritte könnten den Zeitpunkt rechnerisch um einige Wochen vor oder nach hinten verschieben. Aber Mitte-Ende September 2024 können wir mit großer Sicherheit sagen, dass Österreich nicht mehr mehrheitlich katholisch ist.
Anwerbung von Neumitgliedern fällt
Der Rückgang der Mitglieder wirkt sich auch auf andere Kennzahlen des kirchlichen Lebens aus.
Das Diagramm zeigt die drei Stationen, mit denen die Kirche versucht, Kinder und Jugendlich an sich zu binden, im Zeitverlauf. Die Taufen von kleinen Kindern, die sich noch nicht frei dafür entscheiden können, sind abgesehen vom Corona-Jahr 2020 zum ersten Mal unter 40.000 gefallen. Die Statistik-Erzählung der Kirche führt das „vorrangig“ auf die demografische Entwicklung zurück. Aber der Anteil der römisch-katholisch getauften Neugeborenen sinkt auch Jahr für Jahr.
Diese Entwicklung ist zeitversetzt auch bei den Erstkommunionen (mit 8 Jahren) und den Firmungen (mit 14) zu beobachten. Ihre Anzahl und damit auch die Bindung an die Institution sinken, abgesehen vom speziellen Pandemiejahr 2020 und dem darauffolgenden “Ersatzjahr”, recht durchgehend. Dies ist nicht überraschend, die Säkularisierung der Eltern bewahrt auch immer mehr Kinder vor dem Kontakt mit der Kirche. Aus den nicht getauften Kindern und den Jugendlichen, die bewusst auf die Firmung verzichten, werden in den meisten Fällen auch keine Kirchenbeitragszahler*innen mehr.
Zahlungen von Mitgliedern und der Republik
Die Einnahmen der Kirche stiegen im Jahr 2023 leicht, von 500 Mio. € (2022) auf 511 Mio. € an. Das ist ein Anstieg um 2,2 %, weit unter der Inflationrate. Das nominelle Wachstum entspricht also einem Realwertverlust. Nach Sparpaketen konnte trotzdem die Mehrheit der Diözesen leicht positiv bilanzieren. Geholfen haben auch die als „Wiedergutmachung“ bezeichneten staatlichen Zahlungen, die von 55,7 auf 61,5 Mio. € stiegen und die von 27,5 Mio. € auf 30,9 Mio. € gestiegenen Miet- und Pachterträge. Wie lang die Republik sich noch diese Zahlungen, die bei einem katholischen Anteil von weit über 90 % der Bevölkerung eingeführt wurden, leistet, wird wohl ein Gegenstand der Diskussionen im neuen Österreich, in dem nur mehr eine Minderheit katholisch ist, sein.
Die Ausgaben mussten in der schwierigen wirtschaftlichen Lage also stärker für die eigenen Zwecke der Organisation verwendet werden. So ist es nicht verwunderlich, dass die Aufwände „Soziale & Caritative Aufgaben“ und „Weltkirche und Entwicklungshilfe“ sowohl absolut als auch als Anteil der Gesamtausgaben gesunken sind. Dies sind die Posten, die die Kirche regelmäßig als ihre Leistung für die Allgemeinheit ausgibt – sie machen zusammen jedoch nur 4 % der Aufwände aus (2,5 % soziale Aufgaben, 1,5 % Entwicklungshilfe im Jahr 2023). Zusammen ergeben sie nicht einmal die Hälfte der staatlichen Zahlungen – die Republik könnte, wenn sie die Zahlungen für soziale Zwecke umwidmen würde, ein Mehrfaches damit machen.
Ab dem Jahr 2025 wird die steuerliche Absetzbarkeit des Kirchenbeitrags erhöht. Die Obergrenze des absetzbaren Kirchenbeitrags wird von 400 auf 600 € erhöht. Dies betrifft nur Besserverdienende, aber auch so entgehen dem Staat zusätzlich Millionen an Steuern. Ein Säkularisierungsfonds, mit dem die von den Ausgetretenen freigesetzten Steuermittel sinnvoll verwendet werden könnten, ist leider noch nicht angedacht.
Die römisch-katholische Kirche führt 2025 die Möglichkeit der Zweckwidmung des Kirchenbeitrags ein. Dies war bereits in einigen Diözesen möglich und wird nächstes Jahr auf ganz Österreich ausgerollt. Die Mitglieder können zehn verschiedene Bereiche wie Soziales, Umwelt, Seelsorge usw. mit bis zu 50 % ihres Kirchenbeitrags versorgen. Es wird interessant sein, ob dadurch zukünftig tatsächlich Mittel anders verteilt werden.
Priestermangel verstärkt sich
Stärker als die Mitglieder ging wieder einmal die Anzahl der Priester zurück, von 3.403 (2022) auf 3.320. Das entspricht einem Rückgang um 2,4 %. Auch die Anzahl der „ständigen Diakone“, das ist der unterste Weihegrad vor der Priester- und der Bischofsweihe, sank (Heeresanalog: Chargen, Unteroffiziere und Generale). Dies ist ein Unterschied zu den letzten Jahren, die von einem stetigen Wachstum in der Zahl der Diakone gekennzeichnet waren.
Neuerungen beim Kirchenaustritt
Im Sommer 2024 konnte auch Oberösterreich, das letzte fehlende Bundesland, überzeugt werden, einen Online-Kirchenaustritt zu ermöglichen. Ob dadurch die Anzahl der Austritte weiter steigt, wird die Zukunft zeigen.
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