Neulich im Bezirksmuseum und ein Aufruf

Vienna - KI generiert
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In diesem Beitrag berichte ich von meinem Besuch einer kleinen Ausstellung über Karl Raimund Popper (geboren am 28. Juli 1902 in Wien, gestorben am 17. September 1994 in London) im Bezirksmuseum Hietzing. Die Ausstellung ist jedenfalls noch bis zum 23. Oktober besuchbar, vermutlich wird sie aber verlängert. Im Zuge dieses Berichts über meine Eindrücke teile ich einen Mitschnitt über eine Uraufführung einer musikalischen Komposition von Sir Karl Popper und eine überraschende Information, die ich dort erfahren habe, und richte einen Aufruf an musikalisch begabte Humanist*innen.

For lovers of American English: This article is also available as a two-speaker podcast.

Kürzlich besuchte ich das Bezirksmuseum Hietzing – mein erster Besuch, jedoch nicht ganz zufällig. Prof. Robert Hofstetter, ein Philosophielehrer, den ich mir in meiner eigenen Schulzeit gewünscht hätte, lud mich zur Besichtigung der von ihm zum 30. Todestag Poppers kuratierten Ausstellung „KARL POPPER und andere Hietzinger Persönlichkeiten“ ein. Ich kenne Hofstetter von seinen Vorträgen an der VHS Urania und im Klub der logischen Denker. Dort diskutiert eine Gemeinschaft von kritischen Köpfen seit über 50 Jahren regelmäßig philosophische, gesellschaftliche, geschichtliche und viele andere Themen (hier das aktuelle Klub-Programm).

Hofstetter hatte meinen Kommentar „Karl Popper und die Beschneidung der Juden im Kontext des Toleranzparodoxon“ gelesen und als „inspirierend“ bewertet – auch wenn er mir nicht in allem zustimmte, was bei philosophischen Gesprächen nichts Ungewöhnliches ist. Neugierig darauf, wie er Poppers Leben im Bezirksmuseum aufbereitet hatte, nahm ich seine Einladung gerne an.

Die Ausstellung, die sich in einem einzigen Raum des Museums befindet, konzentriert sich vor allem auf das Privatleben Poppers, was mir besonders gefiel, da diese Seite oft weniger beleuchtet wird. Zahlreiche Fotos zeigen Popper als Kind, als Schüler und als begeisterten Wanderer. Man erfährt, wo er in Wien lebte und welche Schwierigkeiten er in seiner Jugend hatte, besonders in seiner Schulzeit.

1902 wurde Karl Raimund Popper am 28. Juli in Wien geboren, als drittes Kind seiner zum Protestantismus konvertierten, liberal-großbürgerlichen Eltern. Popper witzelte später über seinen Geburtsort:

Vom Himmelhof, da komme ich her.

1917 besuchte Karl Popper noch das Realgymnasium in der Radetzkygasse, ein Schuljahr, das durch ein Foto in der Ausstellung dokumentiert ist. Poppers Verhältnis zur Schule ist jedoch problematisch, wie er selbst kritisch bemerkte:

Die Fragen des Schülers bleiben unbeantwortet, und die Antworten des Lehrers wurden vom Schüler nicht hinterfragt.

1918 verließ Popper das Gymnasium und arbeitete zunächst als Gelegenheitsarbeiter. In dieser Phase wendete er sich kurzzeitig dem Kommunismus zu.

1922 holte er die Externistenmatura nach und schrieb sich noch im selben Jahr an der Universität Wien ein, um Mathematik, Geschichte, Psychologie und Philosophie zu studieren. Zudem begann er eine Ausbildung am Pädagogischen Institut, da er große Hoffnungen in die Schulreformen von Otto Glöckl setzte. Humanist*innen kennen und schätzen Otto Glöckel noch heute vor allem für seine Bemühungen um die Trennung von Kirche und Staat, die sich unter anderem in der Abschaffung des verpflichtenden Religionsunterrichts zeigte.

1924 schloss Popper auch eine Ausbildung zum Tischler ab und bestand die Gesellenprüfung erfolgreich. In der Ausstellung ist sein Gesellenbrief zu sehen, sowie ein Foto des Schranks, den er als Gesellenstück anfertigte und Zeit seines Lebens behielt.

1928 promovierte Popper mit seiner Dissertation „Zur Methodenfrage der Denkpsychologie“.

1930 heiratete er Josefine Anna Henninger (alias „Hennie“), und das Paar zog in die Wohnung von Hennies Eltern in der Anton-Langer-Gasse 46 in Hietzing. Im selben Jahr begann er als Lehrer für Mathematik und Physik zu unterrichten.

1934 veröffentlichte Popper „Logik der Forschung“, ein Werk, das ihn schlagartig berühmt machte und größtenteils in Hietzing entstand.

1936 zog die Familie in die Neukräftengasse 8, ebenfalls in Hietzing.

1937 flüchtete Popper mit seiner Frau nach Neuseeland, um der nationalsozialistischen Verfolgung zu entgehen. Die Ausstellung zeigt ein berührendes Foto von Hennie an Bord des Schiffes, das sie in die Emigration brachte. Dieses Bild, das sie auf der Reling sitzend, in die unbekannte Zukunft blickend zeigt, hinterließ bei mir einen bleibenden Eindruck.

1945 nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, kehrte Popper nicht nach Österreich zurück, sondern nahm eine Stelle an der London School of Economics and Political Science an.

1949 erhielt er dort eine Professur für Logik und wissenschaftliche Methodenlehre.

1976 nahm Popper die österreichische Staatsbürgerschaft wieder an.

1978 zeigt ein Foto der Ausstellung ein Treffen zwischen Popper und Bruno Kreisky.

1985 kehrte Popper nach Österreich zurück, nachdem seine Frau Hennie unheilbar erkrankt war und nicht im Ausland sterben wollte. Sie verstarb noch im selben Jahr, und Popper kehrte nach London zurück.

1994 starb Sir Karl Popper in London. Er wurde am Lainzer Friedhof, unweit vom ORF-Zentrum, neben seiner Frau Hennie bestattet.

© Clemens Lintschinger
© Clemens Lintschinger

Besonders faszinierend war für mich der musische Hintergrund Poppers, der in der Ausstellung beleuchtet wird. Seine Mutter, Jenny, war eine talentierte Pianistin, und Karl selbst komponierte in jungen Jahren eine Fuge für Orgel, um sich am Konservatorium zu bewerben – ein Vorhaben, das erfolgreich war, auch wenn er die Laufbahn als Berufsmusiker nicht weiterverfolgte. Doch ein „Möbelstück“, das immer in seiner Wohnung stehen musste, war ein Klavier.

Nun zu einer überraschenden Information, die mich in der Ausstellung wirklich staunen ließ: Die Ausstellung informiert über einen Mitschnitt der Uraufführung der oben erwähnten Orgelkomposition, gespielt von der Organistin Gillian Weir am 6 Juni 1991. Im Klagenfurter Archiv befinden sich aber noch weitere, unveröffentlichte Kompositionen von Karl Popper. Es ist schwer vorstellbar, dass ein Denker dieses Formats auch musikalische Werke hinterlassen hat, die bis heute auf ihre Uraufführung warten.

Soll die Welt wirklich noch weitere 40 Jahre warten müssen, bis diese Werke gemeinfrei werden? Oder gibt es unter den Leser*innen vielleicht musikalisch begabte Humanistinnen, die sich dieser Herausforderung stellen möchten? Wenn ja, meldet euch – der Humanistische Verband Österreichs und ich persönlich werden alles versuchen, um Poppers Musik endlich zum Klingen zu bringen.

Karl Popper: Fugue in F# minor, played by Gillian Weir, St George’s Chapel, Windsor, 6 June 1991
Zu den anderen Persönlichkeiten in der Ausstellung

Die Ausstellung enthält noch Informationstafeln zu folgenden Persönlichkeiten, die in Hietzing lebten und ein Jubiläum feiern:

  • Otto Glöckel (150. Geburtstag)
  • Paul Hörbiger (130. Geburtstag)
  • Pepi Kramer-Glöckner (150. Geburtstag)
  • Hans Moser (60. Todestag)
  • Hansi Niese (90. Todestag)
  • Lotte Rysanek (100. Geburtstag)
  • Franz Schmidt (150. Geburtstag)
  • Hilde Sochor (100. Geburtstag)
  • Oscar Straus (70. Todestag)
Weitere aktuelle Ausstellung im Bezirksmuseum
  • Eine eigene Ausstellung ist aktuell Friedrich Julius Bieber, dem Afrikaforscher gewidmet, die ich ebenfalls als sehr informativ empfehlen kann.
  • Im Kellergeschoß zeigt Richard Ruprecht einen Querschnitt seiner Werke der letzten 50 Jahren.
Informationen zum Bezirksmuseum Hietzing:
  • Der Eintritt in das Museum ist frei.
  • Die Popper-Ausstellung ist noch bis zum 23. Oktober besuchbar, vermutlich wird sie aber verlängert.
  • Ort: 1130 Wien, Am Platz 2/1
  • Öffnungszeiten: Mittwoch 14:00-18:00 Uhr, Samstag 14:00-17:00

Anmerkungen der Redaktion:

Natürlich wäre es eine große Freude, Popper welturaufzuführen. Aus diesem Grunde sind zunächst folgende Wiener Orchester angeschrieben worden, mit drei Bitten:

  • um wohlwollende Prüfung
  • eine Portion Goodwill und
  • großzügiges Mitdenken sowie Sponsoring!

Akademischer Orchesterverein Wien
Akademisches Symphonie Orchester der WU Wien
Ambassade Orchester Wien
Camerata Medica Wien
Clemencic Consort
Community Orchester Wien
Concentus Musicus Wien
Concilium Musicum
Ensemble die reihe
Franz Lehár-Orchester
Haydn Sinfonietta Wien
Junge Philharmonie Wien
Kammerorchester Lyra Wien
Konzertvereinigung Wiener Opernball Orchester
Metropolitan Kammerorchester Wien
Nova Orchester Wien (NOW!)
Orchester der Technischen Universität Wien
Orchester Wiener Akademie
Orchesterverein Concentus21 Wien
Orchesterverein der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien
ORF Radio-Symphonieorchester Wien
Philharmonie der Universität Wien
Polizeimusik Wien
Schloss Schönbrunn Orchester Vienna
Symphonieorchester der Volksoper Wien
The Vegetable Orchestra
Tonkünstler-Orchester Niederösterreich
VBW Orchester
Verein Wiener Concert-Verein
Vienna Art Orchestra
Volksoper Wien GmbH
Wiener Hofburg Orchester
Wiener Hofmusikkapelle
Wiener Jeunesse Orchester
Wiener Johann Strauss Orchester
Wiener Kaiser Orchester
Wiener Kammerorchester
Wiener Kammerphilharmonie
Wiener Mozart Orchester
Wiener Mozart-Ensemble
Wiener Philharmoniker
Wiener Residenzorchester
Wiener Royal Orchester
Wiener Staatsoper (+ Bühnenorchester)
Wiener Symphoniker
Wiener Tonkünstler-Orchester
Wiener Walzer Orchester

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Dr. Clemens Lintschinger

Autor in humanistischen und atheistischen Themenwelten, glühender Verfechter der unmittelbaren Demokratie, Gegner von linken, rechten und christlichen Ideologien

1 Response

  1. Als bekennender Popper-Fan folgende Ergänzungen vielleicht:

    1918 Popper verlässt vorzeitig die Schule und belegt an der Universität Wien als Gasthörer Vorlesungen in den Fächern Mathematik, Psychologie, Geschichte und Philosophie.

    1919 Er tritt einer sozialistischen Studentenvereinigung bei und nimmt an einer Demonstration zur Befreiung inhaftierter Kommunisten teil, in deren Verlauf mehrere Demonstranten von der Polizei erschossen werden.

    1920-1922 Schüler am Wiener Konservatorium, Abteilung Kirchenmusik.

    1924 Abschluss einer Lehrerausbildung in den Fächern Mathematik, Physik und Chemie. Gleichzeitig erfolgreicher Abschluss einer Tischlerlehre, die er 1922 begonnen hatte. Popper arbeitet fortan als Erzieher.

    1925 Aufnahme eines Studiums am Pädagogischen Institut in Wien.

    1930-1937 Lehrtätigkeit an einer Wiener Schule in den Fächern Mathematik und Physik.

    1935/36 Mehrmonatiger Aufenthalt in England, Begegnungen mit dem Philosophen Bertrand Russel (1872-1970), dem Kunsthistoriker Ernst Gombrich (1909-2001) und dem Physiker Erwin Schrödinger (1887-1961).

    1945 Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs fallen 16 Familienangehörige Poppers dem nationalsozialistischen Völkermord zum Opfer.

    1961 Auf dem Soziologentag in Tübingen kommt es zwischen Popper und Theodor W. Adorno zu einer Auseinandersetzung über sozialwissenschaftliche Theoriebildung, die als „Positivismusstreit“ in die Wissenschaftsgeschichte eingeht. Popper entwirft eine an den Naturwissenschaften orientierte Methodologie der Sozialwissenschaften.

    1965 Erhebung in den Adelsstand durch Queen Elizabeth II.

    1969 Emeritierung Poppers.

    1977 Die zusammen mit dem Neurophysiologen John Carew Eccles (1903-1997) verfasste Schrift „The Brain and its Self“ erscheint. Im Rahmen der „Theorie der drei Welten“ wird neben der physischen und der psychischen Welt eine dritte Welt der von Menschen gestalteten Kulturdinge postuliert, der unter anderem Sprache, Theorien und Kunstwerke zugehörig seien.

    1978 Verleihung der Ehrendoktorwürde Dr. rer. nat. h. c. durch die Fakultät für Formal- und Naturwissenschaften in Wien.

    1980 Verleihung des Österreichischen Ehrenzeichens für Wissenschaft und Kunst und des Ordens Pour le Mérite der Bundesrepublik Deutschland.

    1982 Aufnahme als Ehrenmitglied in die Österreichischen Akademie der Wissenschaften.

    1983 Verleihung des Großen Verdienstkreuzes der Bundesrepublik Deutschland.

    1986 Gastprofessur an der Universität Wien. Ernennung zum Honorarprofessor am Institut für Wissenschaftstheorie und Wissenschaftsordnung.

    1992 Ernennung zum Ehrenbürger der Stadt Wien.

    1994 17. September: Sir Karl Raimund Popper stirbt in London.

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