Bibelsatire in Reimform: Interview mit Wolfgang Klosterhalfen
Ein Gastbeitrag von Robert Nagel, vielen Dank dafür. Der Beitrag ist auf seinem sehr lesenswerten Blog Konfessionen
Ich hatte das Vergnügen, Wolfgang Klosterhalfen zu seiner #Reimbibel zu interviewen. Wer die nicht kennt, sollte dringend mal gucken. Ich verspreche nichts weniger als Bildung und Unterhaltung! https://konfessionen.org/bibel-satire-reimbibel/
Der Herrgott lebt, er ist real
und wohnt im Großhirn temporal.
Da wohnte früher mal der Thor.
Am besten nimmt man’s mit Humor.
Bibelsatiren zeichnen sich durch einen humorvollen und zuweilen auch spöttischen Umgang mit biblischen Texten aus.
Nachdichtung als Bibel-Satire
Eine besondere Form des satirischen Umgangs mit der Bibel ist dem Autor Wolfgang Klosterhalfen gelungen: Er dichtete die wichtigsten Stellen des Alten Testaments und Neuen Testaments in einer „Reimbibel“ nach.
Das ist neu, gewagt – und äußerst unterhaltsam. In unserem Interview gibt uns Wolfgang Auskunft, wie es zu der satirischen Bibel-Nachdichtung kam, was ihn dazu bewegte, sie zu verfassen und was er in Zukunft plant.
Wolfgang, warum wolltest du eine Satire der Bibel schreiben?
Für mich ist die Reimbibel nicht ausdrücklich eine Bibel-Satire, sondern eher eine Bibel-Persiflage.
Satire zielt darauf ab, durch Übertreibung, Ironie und Humor gesellschaftliche oder religiöse Missstände, Widersprüche und Heucheleien aufzudecken. Eine Persiflage hingegen ist eine Form der humorvollen Nachahmung, die das Originalwerk zwar auch verzerrt oder übertreibt, aber in einer oft leichteren, weniger scharfen Weise.
Bei der Reimbibel bleibe ich meist nahe am Text, weil ich in erster Linie durch auszugsweises und unterhaltsames Nacherzählen (quasi Infotainment) bekannt machen möchte, welch vielfältiger beziehungsweise einfältiger Unsinn darin überhaupt steht. Insofern sehe ich die Reimbibel eher als Bibel-Persiflage denn als Bibel-Satire.
Was hat dich dazu inspiriert, die biblischen Texte in Reimform zu präsentieren?
Als Papst hat Joseph Ratzinger mal öffentlich behauptet: „Der Herrgott neigt nicht zur Gewalt.“ Das hat er – wenn ich mich nicht sehr irre – wörtlich so gesagt. Im Internet findet man das aber nur noch in meinem Gedicht „Josephs Legenden“. Das war anscheinend das erste antiklerikale Gedicht, das ich verfasst habe, und das nach und nach immer länger wurde.
Einst Chef der Glaubensperversion,
dient Joseph nun als Papst in Rom.
Ein Mann von hohem Intellekt,
den er jedoch sehr oft versteckt.
„Der Herrgott neigt nicht zur Gewalt!“
Ein leicht umstritt’ner Sachverhalt.
Ich rat’ dem Papst, vor solchen Thesen
die Bibel mal von vorn zu lesen.
Zunächst hatte ich einfach Bibelstellen aus dem Alten Testament zusammengestellt, die einen extrem gewalttätigen Gott beschreiben.
Danach hatte ich aber den Eindruck, dass das kaum jemand interessiert. Und dass – abgesehen von einer Minderheit innerhalb der Christen – überhaupt kaum noch jemand Lust hat, die Bibel zu lesen.
Da die Bibel aber die Geschäftsgrundlage der Kirchen ist, kam ich auf die Idee, einigermaßen repräsentativ ausgewählte Geschichten aus dem Alten Testament in Form von leicht lesbaren Gedichten nachzuerzählen.
Nachdem ich das gemacht hatte, wurde mir klar, dass Christen argumentieren würden, nicht das Alte, sondern das Neue Testament sei entscheidend für ihren Glauben.
Ich war dann angenehm überrascht, dass sich auch das NT ganz gut in Reimen wiedergeben und kommentieren ließ.
Welche Absicht verfolgst du mit der Reimbibel?
Ich möchte dabei helfen, dass mehr Menschen erfahren, was tatsächlich in der Bibel steht.
Die Bibel ist ein böses Buch,
der Menschheit wurde sie zum Fluch.
Zwar hat sie auch paar gute Stellen,
doch mehr gibt´s von den kriminellen.
Den meisten Menschen scheint nicht klar zu sein, wieviel teils nur lächerlichen, oft aber auch fürchterlichen und folgenschweren Irrsinn die Bibel enthält – wie widersprüchlich und unlogisch das oft ist, wieviel gut begründete Bibelkritik es gibt, wie verlogen und gefährlich für Demokratie und Frieden die Kirchen sind und schon immer waren, dass der Staat in grundgesetzwidriger Weise die Kirchen massiv gesetzlich und finanziell unterstützt.
Besonders ärgerlich ist die Organisation und Bezahlung des konfessionellen Religionsunterrichts.
Ein wichtiges Anliegen war mir auch, darüber aufzuklären, dass ein entscheidender Teil der Missbrauchsvertuschung durch zwei Päpste und einen deutschen Kardinal betrieben wurde. Ich habe dazu jeweils detailliert Stellung genommen und verlinke hier die entsprechenden Texte.
Reimbibeln wurden bereits im Mittelalter verfasst. Was unterscheidet deine Reimbibel von diesen historischen Versionen?
Von den mittelalterlichen Reimbibeln sind meist nur noch Fragmente erhalten. Ich vermute, dass die meisten von diesen Werken weniger ausführlich waren als meine Version. Und sie enthielten natürlich keine zusätzliche Bibelkritik, Religionskritik, Kirchen- oder Staatskritik oder gar Spott.
Wie würdest du den Stil deiner Reimbibel beschreiben? Welche Rolle spielen dabei Elemente wie Sarkasmus und Humor?
Meine Reimbibel ist stilistisch und reimtechnisch heterogen. Es gibt längere Gedichte, die frei von jeglichem Sarkasmus sind, zum Beispiel Hiob, Kohelet, Hohelied, Offenbarung des Johannes. Vieles wird einfach nur in Form von Reimen und Versen nacherzählt.
Aber insgesamt spielen Sarkasmus und Ironie eine zentrale Rolle. Sowohl im Hauptteil als auch im Anhang gibt es aber auch sachlich-informative Erörterungen.
Humor kommt vor (aber eher selten):
Der Herrgott lebt, er ist real
und wohnt im Großhirn temporal.
Da wohnte früher mal der Thor.
Am besten nimmt man’s mit Humor.
Ein Rezensent vergleicht dich mit Wilhelm Busch. Du selbst erwähnst Robert Gernhardt. Mich erinnern einige Reime an den DDR-Comicautor Jürgen Kieser. Siehst du dich stilistisch dort irgendwo?
In meiner etwas anderen Bibel kommen kurze Paarreime besonders häufig vor. Die gab es schon bei Goethe und Schiller. Und natürlich auch bei Busch, der ja auch ein toller Zeichner war und sicherlich Jürgen Kieser beeinflusst hat.
Gernhardt hat mich zusätzlich stark durch seine Vorlesungen über gereimte Gedichte als Gastprofessor der HHU motiviert, die er Anfang 2006, also kurz vor seinem Tod, vor begeistertem Publikum gehalten hat.
Seine Paulus-Verse habe ich fortgesetzt. Mein dritter Brief an den „lieben“ Gott ist eine Variation eines Gedichts von Gernhard:
Lieber Herrgott, nimm es hin,
dass ich weiter skeptisch bin.
Und gib ruhig einmal zu:
Keiner ziert sich so wie du.
Preisen werd ich deinen Namen,
aber zeig dich vorher. Amen.
Wie schreibt man eine Bibel-Satire?
Über Wolfgang Klosterhalfen
Wolfgang Klosterhalfen hat in Tübingen, Düsseldorf, Nijmegen und Honolulu Psychologie studiert. 1971 Diplom, 1977 Promotion zum Dr. rer. nat., 1986 Habilitation für das Fach Medizinische Psychologie, 1992 Außerplanmäßiger Professor. Zahlreiche Veröffentlichungen zu Lerntheorien und zur psychosomatischen Grundlagenforschung, besonders zur „Psychoimmunologie“. Seit 1968 der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf als Student, Angestellter und Apl. Professor verbunden, wechselte Klosterhalfen 1991 zur Städtischen Kinderklinik Gelsenkirchen. Klosterhalfen ist seit Ende 2006 Frührentner und widmet sich seitdem u. a. der Bibel- und Kirchenkritik.
Was waren deine größten Herausforderungen beim Schreiben der Reimbibel? Hattest du Zweifel, das Projekt zu vollenden?
Die Idee, eine antiklerikal aufklärende Reimbibel zu verfassen, habe ich immer für gut gehalten. Und als Rentner hat man ja, so Gott will, viel Zeit.
Nach Anfangserfolgen (ca. 1.000 verkaufte Exemplare, freundliche Besprechungen bei Amazon) hat sich aber nach wenigen Jahren kaum noch jemand für dieses Buch interessiert.
Dass ich den Verkaufspreis von 19,90 auf 9,90 Euro reduzieren, das Layout stark verbessern, den Inhalt immer wieder überarbeiten und durch einen vertiefenden Anhang ergänzen konnte, hat daran nichts geändert.
Die aktuell größte Herausforderung ist, dass ich sogar große Schwierigkeiten habe, Reimbibeln an Schüler*innen zu verschenken.
Wie haben deine akademische Laufbahn und deine Erfahrungen als Psychologe deine Herangehensweise an die biblischen Texte beeinflusst?
Die Psychologie ist eine weiche Wissenschaft, die viel Raum dafür lässt, sich selbst und andere zu täuschen. Es fehlt sehr oft an methodenkritischer Kompetenz und Selbstkritik.
Auch in der Medizin sind die Übergänge zur Pseudowissenschaft fließend. Zur Beförderung der eigenen Karriere wird gern getrickst. Betrügen, Täuschen und Tarnen waren mir daher nicht neu, als ich in meiner nachberuflichen Zeit angefangen habe, mich mit der Bibel und den Kirchen zu beschäftigen.
„Betrügen, Täuschen und Tarnen waren mir daher nicht neu, als ich in meiner nachberuflichen Zeit angefangen habe, mich mit der Bibel und den Kirchen zu beschäftigen.“Wolfgang Klosterhalfen
Die Reimbibel enthält viele provokative und kritische Aussagen über Gott und die Kirche. Was erhoffst du dir davon, die Bibel in dieser Weise zu hinterfragen?
Es steht fest, dass es schon seit der Antike viel verdienstvolle Kritik gegeben hat. Aber es ist auch klar, dass diese Kritik nicht gereicht hat. Sie muss nicht nur fortgesetzt, sondern sogar intensiviert werden.
Dazu gibt es viele unterschiedliche Ansätze. Sofern diese von Organisationen vorgetragen werden, steht die Trennung von Kirche und Staat im Vordergrund, und die Bibel- und Glaubenskritik wird eher vernachlässigt. Wofür ich Verständnis habe.
Provokatives halte ich für eine wichtige und hilfreiche Ergänzung. Den Christen und den Kirchen wird immer noch viel zu viel Respekt entgegengebracht. Ihre Gefährlichkeit wird unterschätzt.
„Den Christen und den Kirchen wird immer noch viel zu viel Respekt entgegengebracht.“Wolfgang Klosterhalfen
Die Reimbibel beginnt das Neue Testament mit den Briefen des Paulus und nicht mit den Evangelien. Warum hast du dich für diese Reihenfolge entschieden?
Paulus ist der eigentliche Begründer des Christentums. Er hat die christliche Irrlehre schon rund 20 Jahre vor Markus verbreitet. Es ist daher irreführend, wenn Paulus traditionell erst nach den vier Evangelisten zu Wort kommt oder in der Apostelgeschichte über ihn berichtet wird.
Für welche Leser ist deine Reimbibel gedacht? Sprichst du eher religiös aufgeklärte Menschen an oder ist es auch realistisch, Gläubige zu erreichen?
Ich möchte Ungläubige motivieren, sich deutlicher als bisher gegen religiösen Wahnsinn und gegen kirchliche Bevormundung auszusprechen.
Für eine Person, die nur noch ein wenig unter religiösem „Restalkohol“ leidet oder nur noch ihre Kirche als soziale Organisation unterstützen möchte (Caritas-Legende), könnte die Reimbibel eine Hilfe sein bei ihrem Abschied vom Glauben und der Kirche. Gläubige Christen halte ich für weitgehend therapieresistent.
Über Organisation und Geschichte der beiden größten Wohlfahrtsverbände findest du Infos in diesen Büchern.
Du kritisierst kirchliche Institutionen und Dogmen scharf. Inwiefern kann dein Werk eine Veränderung in der Art und Weise bewirken, wie Menschen die Bibel und das Christentum betrachten?
Vielleicht bringt es einige Menschen dazu, mal etwas genauer in die Bibel zu schauen oder den Kirchen auf die Finger, die sie überall drin haben. Sie tun nämlich nach wie vor viel Schlechtes. Hinsichtlich eventueller Wirkungen kann ich fast nur glauben und hoffen. Aber schon in der Reimbibel steht geschrieben:
„Glauben und hoffen
machen besoffen.“
Einige Leser dürften deine Reime als respektlos empfinden. Wie reagierst du darauf?
Es gab zunächst etliche zustimmende und zwei kritische Reaktionen bei Amazon. Auf eine nette 3-Sterne-Kritik in Versform habe ich freundlich in Versen geantwortet. Die 1-Sterne-Kritik habe ich zurückgewiesen. Beide Repliken werden nicht mehr von Amazon angezeigt.
Welche Reaktionen gab es noch auf die Reimbibel?
Herr Dunklau, der an der theologischen Fakultät der Universität Hamburg tätig ist, hat mir vorgeworfen, dass ich das Etikett „Reimbibel“ verwende. Ich kann seinen Artikel aber als eine ansonsten gute Übersicht zu Reimbibeln im Mittelalter empfehlen. Die Kirchen haben bisher gar nicht reagiert.
Inwieweit haben historische Ereignisse und andere Arbeiten wie Deschners „Kriminalgeschichte des Christentums“ deine Arbeit beeinflusst?
Großen Einfluss hat gehabt, was ich über die Rolle der Kirchen im „Dritten Reich“ erst als Rentner und wegen meiner Beschäftigung mit dem Christentum erfahren habe.
Insgesamt hat sich die so lange, so fürchterliche und so vielgestaltige Kriminalgeschichte des Christentums stark motivierend auf meine relativ umfangreichen antiklerikalen Aktivitäten ausgewirkt.
Der Ukraine-Krieg hat noch einmal besonders deutlich gezeigt, welch katastrophale Folgen es haben kann, wenn Bürger ihr Heil in der Kirche suchen und sich nicht rechtzeitig gegen eine unheilige Allianz von Thron und Altar wehren. Zur bis heute stattfindenden Kriminalgeschichte des Christentums habe ich hier einen Auszug erstellt.
Neben Büchern von Buggle, Deschner und vielen anderen kirchenkritischen Autoren habe ich auch viele prochristliche Werke zur Kenntnis genommen.
Das Gesamtresultat ist eine hochgradige Verärgerung über das immer noch sehr einflussreiche und staatlich privilegierte Christentum sowie das geringe Problembewusstsein auf Seiten der Ungläubigen.
Wie hängen Staat und Kirche finanziell zusammen? Klicke auf eines der Bücher für mehr Infos.
Hast du Pläne, weitere bibelsatirische Bücher in Reimform zu veröffentlichen? Gibt es noch andere religiöse Texte, die du auf ähnliche Weise bearbeiten möchtest?
Ich hatte zunächst auch auf das Buch Daniel verzichtet, da es theologisch nicht sehr ergiebig ist. Das scheint mir auch auf die Bücher der Makkabäer und Jesus Sirach zuzutreffen. Zum Koran möchte ich schon allein aus gesundheitlichen Gründen keine Reime und Verse verfassen.
Wie siehst du die Rolle von religiöser Satire und Kritik in einer zunehmend säkularen Welt?
Ich sehe darin eine gute Ergänzung zu vollständig sachlich gehaltener Kritik. Die Bereitschaft, sich mit dem Christentum kritisch zu beschäftigen, ist ja ziemlich gering.
Die Reimbibel bietet ein Infotainment, das man auch häppchenweise genießen kann. Das könnte vor allem der „Generation Smartphone“ entgegenkommen.
Neben der Reimbibel hast du auch eine Internetseite mit bibel- und kirchenkritischen Texten. Wie ergänzen diese Inhalte dein Buch, und welche weiteren Projekte planst du für die Zukunft?
Auf meiner Reimbibel-Homepage gibt es
- Artikel, auf die ich im Buch verweise,
- weitere Artikel, auf die nicht im Buch verwiesen wird,
- Texte, die so auch im Buch stehen,
- Texte, die ausführlicher als im Buch abgefasst sind,
- Bilder und
- von mir vorgetragene Reimbibel-Gedichte zu den Büchern Mose.
Wenn es nicht zu teuer wird, könnte ich vielleicht noch alle Reimbibel-Gedichte oder einen größeren Teil davon als Hörbuch rausbringen. Vielleicht auch Teile des Anhangs.
Oder, wenn mir jemand hilft, einen Podcast erstellen.
Vielen Dank, Wolfgang. Wir wünschen dir alles Gute für deine weiteren Projekte!
Danke schön und bis bald!
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